Geschäftlich in China

Erschienen in Business Guide China

Wir leben in einer globalen, multikulturellen sowie mehr und mehr digitalisierten Welt. Das zeigt sich auch stark im Businessalltag. Es ist normal, mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitende zu arbeiten, die kulturell anders geprägt sind. Unternehmen haben heute eine multikulturelle Belegschaft – nicht nur Grossunternehmen wie Nestlé, Roche, ABB, Tetra Pak oder Novartis, sondern auch KMUs. Kurz: Geschäfte werden mit verschiedensten Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gemacht, unabhängig davon, ob diese in der Schweiz, virtuell oder vor Ort in anderen Ländern abgewickelt werden. Die kulturellen Unterschiede, auf die man dabei stösst, kann man als Wettbewerbsvorteil nutzen, um erfolgreicher zu werden. Das bedingt jedoch eine interkulturelle Auseinandersetzung mit der betreffenden Kultur und Grundlagenwissen dazu. Erfahrung allein genügt nicht. Nichtbeachten führt oftmals zu finanziellen Verlusten.

Ziel dieser Artikelserie ist, Sie als Geschäftsleute dabei zu unterstützen, kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen und die besprochenen Länder auch kulturell zu beleuchten. Vielleicht können Sie damit das eine oder andere Fettnäpfchen umgehen. Wir wünschen viel Erfolg.

China Keyfacts
Fläche: 9597 km²
Hauptstadt: Beijing
Einwohnerzahl Beijing: rund 21 Millionen
Einwohnerzahl China gesamt: rund 1,4 Milliarden
Währung: Renminbi (RMB/CNY)
BIP pro Kopf: 9580 USD
Landessprache: Chinesisch

China – ein wichtiger Markt

Die Volksrepublik China ist weltweit zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor herangewachsen. Daran hat auch die Finanzkrise nichts geändert, ganz im Gegenteil. Darüber hinaus wird China aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen in Amerika ein zunehmend wichtiger Partner für Europa. Das rasante Wachstum in China hat sich während der politischen Turbulenzen und Unwägbarkeiten der jüngeren Vergangenheit verlangsamt – wenn auch mit einem nach wie vor überdurchschnittlichen Plus von ca. 6 % bis 7 % („das neue Normale“). Der chinesische Markt bleibt weiterhin für schweizerische Unternehmen, Investoren und Kooperationspartner attraktiv, insbesondere wegen seines erheblichen inländischen Marktpotenzials. Umgekehrt sehen wir einen Trend, dass chinesische Unternehmen schon länger vermehrt in Europa und vor allem auch in der Schweiz investieren.

Neben Global Playern wie Nestlé, Roche, und Tetra Pak, um nur einige prominente schweizerische Beispiele zu nennen, sind im Reich der Mitte auch KMUs mehr und mehr vertreten. Doch nicht jedes wirtschaftliche Engagement ist von Erfolg gekrönt. Viele Unternehmen haben nicht die erhofften schnellen Renditen erzielt. Denn bei aller Öffnung ist China aus westlicher Sicht nach wie vor ein herausfordernder und heterogener Markt. Der südliche Teil nähert sich in Infra- und Wirtschaftsstruktur dem kapitalistischen Hongkong an. Andere Gebiete sind noch dabei sich zu entwickeln. Strukturen wie ein gut funktionierendes Verkehrsnetz, das Vorhandensein von Serviceleistungen wie Dolmetscher, Sekretärinnen mit Fremdsprachenkenntnissen, moderne Telekommunikationseinrichtungen sowie notwendige Spezialisten wie zum Beispiel internationale Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer sind nicht überall gleichmäßig vorhanden.

Welche Fehler machen demnach westliche Unternehmer bei ihrem Engagement in China? Wo liegen die Besonderheiten beim Verhandeln und Geschäftemachen sowie im operativen Betreiben eines Unternehmens vor Ort? Und was ist dabei kulturell zu berücksichtigen?

DEN Chinesen gibt es nicht

China ist nicht China. Die Volksrepublik China hat eine über 4000 Jahre alte Geschichte, die prägte. Sie ist das derzeit einwohnerreichste Land der Welt und besteht aus 22 Regionen, 5 autonomen Regionen und zwei Sonderverwaltungsregionen. Offiziell erkennt die Volksrepublik China 56 verschiedene ethnische Gruppen an. Die grösste davon sind die Han. Es werden in China rund 297 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen. Kurz und gut, DEN Chinesen gibt es nicht. Die folgenden Ausführungen wollen daher sensibilisieren, was sein könnte, wie es im Business mit Chinesen zum Tragen kommen könnte - zeigen aber nie eine Vollständigkeit auf.

Eine kontextuelle Kultur

China gehört zu den sogenannten kontextuellen Kulturen. Solche Kulturen beziehen immer das ganze Umfeld und die damit verbundene Atmosphäre in alles mit ein, was sie tun. Alles hat seine Bedeutung. Situative und kontextuelle Daten sind wichtig. Nimmt man bspw. an einer Sitzung teil, so ist bedeutend, wer welche Funktion und Position hat. Diese allein „sprechen“ bereits. Dies zeigt sich auch in der Kommunikation. Worte können vieldeutig sein. Man kommuniziert auch über das, was nicht gesagt wird- zieht somit den Kontext in die Kommunikation mit ein. Das führt zu einer eher indirekten Ausdrucksweise. Ganz im Gegenteil zum Schweizer, der eher direkt und linear kommuniziert. In China kann ein „Ja“ daher verschiedene Bedeutung haben. Je nach Kontext wird über ein „Ja“ auch ein Nein ausgedrückt. Denn ein klares Nein wird selten genutzt. Solche direkten Antworten gelten als unhöflich. Auch ein Schweigen kann deshalb Nein heissen. Stille ist sowieso immer zu beachten. Darüber wird viel ausgedrückt, meist auch Negatives. Keine Nachricht ist daher meist keine gute Nachricht. Die Ausdrucksweise in China ist anders als in der Schweiz. Es empfiehlt sich daher, qualifizierte Dolmetscher mit interkultureller Kompetenz zu nutzen, sodass die Informationen – verbal wie auch nonverbal geäussert - genau übertragen werden. Dies erspart Ihnen viel Zeit und evtl. Ärger über Missverständnisse.

Auch die Denkweise des Chinesen ist daher anders. Das chinesische Denken und Handeln basiert zunächst auf emotionalen Faktoren und erst danach auf rationalen – falls überhaupt. Es wird intuitiv vorgegangen und nicht nach einem analytischen, linearen Ansatz. Daher kann es zu Improvisationen kommen.

Das chinesische Selbst

Auch wenn es sich in jüngeren Generationen beginnt zu ändern und auch regional unterschiedlich ist: der Chinese sieht sich kaum als Individuum wie bspw. der Schweizer, sondern als Teil einer Einheit. Das kann die Familie, das Team, das Unternehmen oder auch das Land sein. Auch hier spielt wiederum der Kontext eine Rolle. Das Selbst ist somit keine unabhängige Einheit und allein nicht komplett. Es definiert sich über die es umgebenden Beziehungen. China ist eine beziehungsorientierte Kultur. Alles, was der Chinese macht, steht im Kontext zu dieser Einheit und hat Auswirkungen auf sie. Chinesen können sich nicht von Verpflichtungen gegenüber anderen distanzieren. Es ist alles interdependent. Ist ein Chinese bspw. Mitarbeiter der Firma X., so haben seine Handlungen Einfluss auf das Unternehmen. Er definiert sich über das Unternehmen und ist Teil des Unternehmens. Auch wenn bspw. Schweizer ebenso Mitarbeiter eines Unternehmens sind, sind ihre Handlungen nie so eng mit diesem verknüpft. Das heisst auch: treten Sie im Namen Ihrer Firma auf, wird das aus chinesischer Sicht anders wahrgenommen. Sie sind auch Ihr Unternehmen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein.

Nachdem wir in diesem ersten Teil einiges Grundlegendes dargelegt haben, werden wir im nächsten Teil vertiefter darauf eingehen, wie sich diese Beziehungsorientierung im Geschäftsalltag konkret zeigen kann und welche weiteren wichtigen Aspekte der chinesischen Kultur im Businessalltag zu beachten sind. Die Lektüre lohnt sich, denn: nirgendwo sonst kann so viel so schnell gewonnen aber auch verloren werden wie im internationalen Business!

Guanxi – ohne geht es nicht

China ist eine beziehungsorientierte Kultur. Nichts geht ohne eine entsprechende Beziehung. Guanxi ist ein entscheidendes Netzwerk in China, das sich auf Beziehungen bezieht. Jeder Chinese gehört unterschiedlichen Beziehungsnetzen an, die verschiedene Grundlagen haben und unterschiedliche Loyalitäten enthalten. So ist der Einzelne immer in verschiedenen Beziehungsnetzen verbunden bspw. mit der Familie, dem Team, der Abteilung oder dem Land. Guanxi heisst also auch, gegenseitig abhängig zu sein. Für einen Chinesen ist Guanxi ähnlich wie «wie Du mir, so ich Dir». Es ist eine Beziehung, die auf tiefem Verständnis, Respekt und Vertrauen beruht. Guanxi geht über das übliche westliche Networking hinaus. Solche Beziehungen sind langfristig und erfordern entsprechende Pflege. Hat man mit jemandem Guanxi, dann kann man sich auf diese Person verlassen.

Was heisst das nun für den Businessalltag?

Guanxi bezieht sich auf persönliche Beziehungen, nicht Beziehungen zu einem Unternehmen. Aber Achtung: Im Gegensatz zu hier wird zwischen Privat und Beruf kaum getrennt. Es ist wichtig, das zu beachten. Selbst wenn man sich «privat» trifft, ist das auch geschäftlich. Der Aufbau einer Geschäftsbeziehung dauert daher wesentlich länger, denn es gilt, Vertrauen aufzubauen. Ohne Vertrauen kommt jegliche Art von Geschäftsbeziehung nicht zustande. Daher ist das Kennenlernen relevant und ein wesentliches Geschäftsgebaren. Denn bevor sich ein Chinese auf ein Geschäft mit einem unbekannten Menschen einlässt, nimmt er sich soviel Zeit wie nötig, um diesen kennen zu lernen. Ziel ist, sich ein Bild über den Geschäftspartner zu machen und zugleich zu prüfen, wie seriös und vertrauenswürdig diese Person ist. Daher werden auch private und teils persönliche Fragen gestellt, die nichts mit dem Geschäft zu tun haben. Ohne Vertrauen kommt keine Geschäftsbeziehung zustande. Im Westen haben wir aber einen gegenteiligen Ansatz und neigen häufig dazu, anderen so lange zu vertrauen, bis wir Grund dazu haben, das nicht mehr zu tun. Seien Sie sich dieses Unterschiedes bewusst und nehmen Sie sich Zeit dafür. Beachten Sie dieses wichtige Kennenlernen Ritual – schnelle Absprachen gibt es nicht. Finden Sie in Gesprächen Gemeinsamkeiten mit Ihrem Geschäftspartner wie Hobbies, Kinder etc. Vergessen Sie nie: Erfolg basiert auf Guanxi und nicht auf Wissen, Zielen oder Motivation.

Türen öffnen mit einem Mittelsmann

Einer der grössten Fehler westlicher Unternehmen in China ist zu glauben, man könne ohne weiteres und wie zu Hause auf der grünen Wiese in den Markt eintreten. Sie erinnern sich: Guanxi. Und hier kommt eine Erweiterung dieses Konzeptes ins Spiel: Wer die Chance wahrnehmen will, dem empfiehlt es sich mit einem Mittelsmann zu arbeiten. Dieser ist mit dem spezifischen, persönlichen und reziproken Beziehungssystem von China vertraut und kann helfen, die für das Business notwendigen Türen zu öffnen. Ein solcher Mittelsmann ist auch nach dem ersten Meeting unverzichtbar. In einer Verhandlungssitzung bspw. wechseln chinesische Geschäftsleute lieber das Thema, verhalten sich still oder stellen eine andere Frage, anstatt geradeheraus Nein zu sagen. Ein chinesischer Mittelsmann vermag die Stimmungen, Gesichtsausdrücke und Körpersprache genau zu interpretieren und zu erklären. Häufig versteht nur er, was gerade passiert. In einer solchen Situation kann der Mittelsmann eingreifen, denn seine Aufgabe ist neben der Übersetzung auch die Vermittlung zwischen den Kulturen. Er kann darüber hinaus häufig auch Differenzen ausgleichen. Tatsächlich kann es einem guten Mittelsmann gelingen, komplexe Situationen sowohl vom Inhalt als auch von der Emotion oder von beidem wesentlich zu reduzieren und vermittelnd wirken. Oft kommt es auch vor, dass beide Parteien dem Mittelsmann offen Dinge sagen können, die sie einander direkt nicht vermitteln könnten.

Hierarchien beachten

Jeder Mensch hat in China seinen Platz – innerhalb der Familie und auch innerhalb der sozialen und politischen Hierarchien. Innerhalb dieser Hierarchie verehrt man die oben Stehenden (Respekt, Gehorsam und Loyalität) und sorgt für die unten Stehenden (Führung, Liebe und Empathie). Diese hierarchischen Strukturen haben wenig mit Unterordnung oder Unterscheidung der Menschen nach ihrem Wert zu tun, sondern sind eine rein formelle Zuweisung des angemessenen Platzes im Ganzen. Respekterzeugungen sind ein formeller Akt der Anerkennung dieser sozialen Ordnung. Wohlstand, Reichtum und auch Alter kreieren ebenfalls Status.

Es ist daher äusserst wichtig, sich der Hierarchien und Rollen bewusst zu sein und sich dazu im Vorfeld Gedanken zu machen. Achten Sie auf Alter und Position in der Hierarchie.

Entscheidungen werden daher auch strikt top-down getroffen. Der richtige Entscheidungsträger ist für den Geschäftsabschluss massgebend. Es ist wichtig, die richtige Ansprechperson zu finden. Auch dazu kann wiederum ein Mittelsmann empfehlenswert sein.

Der Umgang zwischen Ranghöheren und Rangniedrigeren ist innerhalb eines Unternehmens eher informell, wobei jeder seinen Platz kennt. Schliesslich gehören alle zusammen und sind unter sich. Sobald es aber offiziell wird, spielen die Hierarchien eine Rolle und werden nach aussen gezeigt. So sollten bspw. in einem offiziellen Meeting die Vorsitzenden und die älteren Personen zuerst zu Wort kommen. Das beweist Respekt vor Ranghöheren und Älteren.

Gesicht verlieren und auch wahren

«Gesicht» heisst für den Chinesen ein positives Image und persönliche Integrität im beziehungsorientierten Kontext zu haben. Es kombiniert sozialen Status und Ruf. «Gesicht» bezieht sich immer auf das gesamte Beziehungsgefüge und nie nur auf die Einzelperson. Dieses Konzept ist für das zwischenmenschliche Zusammenleben von grösster Bedeutung.

«Gesicht» zu verlieren hat einen viel stärkeren Einfluss, als bei uns und kann Geschäftsbeziehungen beeinträchtigen und nachhaltig stören. Im schlimmsten Fall kann man sogar Business einbüssen. Aus westlicher Sicht ist man sich oftmals nicht bewusst, welche Auswirkungen ein Gesichtsverlust auf den betreffenden Menschen und sein Beziehungsnetz hat. Ein Gesichtsverlust kann verschiedenartig entstehen, bspw. durch direktes Neinsagen, offenes Widersprechen, Korrigieren oder Hinterfragen sowie durch ein negatives Feedback, um nur einige Möglichkeiten zu benennen.

«Gesicht» wird oftmals auch gewahrt, indem nichts Gesagt oder nur gelächelt wird. Dadurch werden Peinlichkeiten im sozialen Umgang vermieden. Wenn bspw. ein ungeduldiger Verhandlungspartner aus der westlichen Welt endlich wissen möchte, was die Chinesen von dem Vorschlag halten und diese ihn als nicht gut erachten, kann es sein, dass sie das Gesicht wahren und nichts sagen oder ausweichend antworten, bspw. «Lassen Sie es uns prüfen».

Kurz und gut, seien Sie sich der Relevanz des Faktors «Gesicht» bewusst und nehmen Sie darauf Rücksicht, bevor Sie sprechen oder handeln. Machen Sie, wenn immer möglich, nichts, das einen Gesichtsverlust verursacht – zugegeben, einfacher gesagt als getan.

Verhandeln und Vertrag – oder doch nicht?

Alles vorgängig Dargelegte wiederspiegelt sich auch im Verhandeln mit Chinesen. Auf chinesischer Seite misst man zu Beginn von Kooperationen auch dem Beziehungsaspekt Bedeutung zu. Konsequenterweise ziehen sich somit Verhandlungen länger hin. Darauf gilt es sich einzustellen und einen entsprechenden Zeitaufwand einzukalkulieren, aber auch Geduld aufzubringen. Auch in einer Verhandlungssituation empfiehlt es sich abzuklären, wer befugt ist, ein Geschäft abzuschließen, damit man die die richtigen Partner am Tisch hat.

Die westeuropäische und auch amerikanische Einstellung «Pacta sunt servanda» oder der Grundsatz, dass einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind, gelten in dieser Form nicht. Hier gilt vielmehr ein flexibles Rechtsverständnis, das wesentlich auch von der Situation abhängt und bei dem die Verbindlichkeit des Vertrages geringer ist als in Westeuropa oder in den USA.

Chinesische Verhandler verfügen über Ausdauer, um für sie wichtige Detailfragen zu klären. Sie erwarten das Gleiche von ihrem Verhandlungspartner. Die Verhandlungsphasen, in denen Konzessionen gewährt werden, dauern lange. Bleiben Sie genauso zäh, pflegen Sie aber gleichzeitig die positive Atmosphäre. Zugeständnisse sollten immer unter den Aspekten geben und nehmen diskutiert werden (Reziprozität). Verbinden Sie eine Forderung der Gegenseite mit einer Forderung Ihrerseits.

Dazu berichtet ein Verhandlungsführer eines schweizerischen Automobilzulieferers: «Zunächst ging alles sehr korrekt und förmlich vonstatten. Je länger sich die Verhandlungen hinzogen und je tiefer es in die Einzelheiten ging, desto mehr kam man sich vor wie auf einem Basar. Da wurde buchstäblich stundenlang um Details gefeilscht. »

Es kann sodann gut sein, dass einmal vereinbarte Festlegungen in der nächsten Verhandlungsrunde modifiziert werden oder nicht mehr gelten. Da hilft auch Schriftlichkeit nicht immer weiter. Regeln und Verträge können in China situationsabhängig oder kontextbezogen ausgelegt werden. Sie werden nicht als starres Gefüge betrachtet, sondern eher als Richtschnur. Ein Abweichen von bestehenden Regeln ist je nach Kontext nicht nur legitim, sondern manchmal auch erforderlich, bspw. zur Aufrechterhaltung der sozialen Harmonie. Dieses Konzept des Regelrelativismus kann sich in der Businesswelt bspw. auch zeigen, indem der Abschluss eines Vertrages mehr die gegenseitige Beziehung betont, denn das strikte Festhalten von Vereinbarungen. Kontext und Beziehung können wichtiger sein als die festgelegten Regeln oder die gemachten Abmachungen.

Die Visitenkarte ist nicht bloss eine Information, sondern zeigt, wer Sie sind

Trifft man sich zum ersten Mal, kommt zunächst die Vorstellung. Diese sollte, wenn immer möglich, durch eine Drittperson oder den Mittelsmann erfolgen. Dabei sind die Hierarchien zu beachten: Ranghöhere zuerst, und zwar die Älteren vor den Jüngeren und die Frauen vor den Männern.

Bei der Begrüssung sollten der Rangniedrige oder Jüngere abwarten, bis ihn der Ranghöhere oder Ältere anspricht. Es gilt als unhöflich, wenn bspw. ein Jüngerer die Initiative ergreift und dem Ranghöheren zuerst die Hand gibt. Es geht immer die Hierarchie hinunter.

Das erste Treffen mit dem Geschäftspartner wird in China sehr ernst genommen. Man tauscht nicht wie hier nur Businesskarten zwecks Information aus, sondern zeigt dem Partner Respekt, indem man folgendes befolgt:

  • Die Visitenkarte wird in die für den Partner lesbare Position gedreht und mit beiden Händen überreicht. Auch empfangen wird sie mit beiden Händen.
  • Erhält man eine Visitenkarte, steckt man diese nicht sofort weg, sondern man liest sie mindesten eine halbe Minute lang und legt sie dann vor sich auf den Tisch oder steckt sie ein (nicht in die Jacken- oder Hosentasche!). Benutzen Sie einen Visitenkartenhalter.
  • Die Visitenkarte vertritt die Persönlichkeit auf Papier und ist mit Respekt zu behandeln. Sie ist kein Notizblock. Schreiben Sie nichts darauf. Das wäre unhöflich.
  • Sprechen Sie nun den Geschäftspartner mit seinem Namen an und machen Sie ein wenig Smalltalk.

Empfehlenswert ist zudem, dass Sie auf der einen Seite der Karte eine chinesische Version haben. Das zeigt Respekt und Aufmerksamkeit.

Essen als wichtiger sozialer Aspekt

Essen ist für die Chinesen ein unverzichtbarer Teil des Lebens. Essen bedeutet Gesundheit, Gastfreundschaft und Aufbau bzw. Vertiefung von Beziehungen. Auch beim Essen wird die Gemeinschaft betont. Etwas für sich allein zu bestellen, kennen die Chinesen nicht. Man sitzt zusammen am Tisch und teilt das Essen.

Formelle Essen sind für Geschäftsbeziehungen wichtig. Man verbindet dabei das Angenehme mit dem Nützlichen und schafft Harmonie. Die Sitzordnung am Esstisch ist in China von großer Bedeutung. Dabei ist wiederum die Hierarchie am deutlichsten zu beobachten, sowohl bei privaten als auch bei geschäftlichen Anlässen. In der Regel sitzt der Gastgeber so weit wie möglich vom Eingang des Raumes entfernt, der wichtigste Gast sollte rechts und sein Stellvertreter links vom Gastgeber platziert werden. Auch hier ist ein erfahrener Mittelsmann ein guter Ratgeber. Informieren Sie sich vorgängig, was bei der Sitzordnung beachtet werden muss.

Speisen ablehnen gilt eher als no go. Wenn, dann diplomatisch (Gesicht!). Chinesen sind stolz auf ihr Essen und versuchen den Gästen nur das Beste zu bieten. Ein direktes Nein oder«Ich mag das nicht» könnte verletzend wirken.

Alles aufessen kann ebenfalls als unhöflich wahrgenommen werden.

Und was Sie auch noch wissen sollten

Geschenke haben in China Tradition und sind wichtig. Sie sind ein Zeichen von Wertschätzung oder Dankbarkeit und dienen auch der Beziehungspflege. Geschenke können materielle Gegenstände, Gefälligkeiten oder Einladungen sein. Seien Sie sich aber bewusst: Bekommen sie eines, sollten Sie beim nächstmöglichen, passenden Zeitpunkt ein Gegengeschenk überreichen. Packen Sie dieses in rotes Papier ein, denn rot symbolisiert Glück und Prosperität. Der Inhalt der Geschenke und die Häufigkeit des Geschenkaustausches spiegelt die Beziehungsqualität wider. Geschenke werden immer mit beiden Händen übergeben. Beachten Sie, dass Geschenke in Ihrer Gegenwart meist nicht geöffnet werden. Das ist normal.

Achten Sie auch auf Themen, die Sie in Gesprächen aufbringen. Besser nicht anzusprechen sind bspw. Politik, Taiwan und Tibet oder Menschenrechte.

China ist aus unserer Sicht tatsächlich «anders» und kann uns aus unserer Komfortzone herausschütteln. Hinzu kommt, dass, wie neuerdings, Krankheiten das gesamte Chinabild und die Situation verändern. Damit muss man leben. Sobald diese Krankheit unter Kontrolle ist, wird sich das Geschäftsleben in China auch wieder normalisieren. Insgesamt ist es für westeuropäische und Schweizer Verhandler normal, sich auch mal aufzuregen oder sich ratlos zu fühlen, da China trotz allen wirtschaftlichen Erfolges doch sehr weit weg ist von der Schweiz und von Europa. Diese Nuance gehört zur Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kulturen, insbesondere auch der chinesischen Kultur. Akzeptieren Sie es, bleiben Sie aufgeschlossen und entdecken Sie das Reich der Mitte mit den unterschiedlichen Provinzen. Eine chinesische Weisheit besagt: «Der Schlüssel zum Erfolg ist Geduld».

Wir hoffen, dass sich trotz der momentan schweren Krisenzeit, dieser Artikel für Sie lohnt. Denn: nirgendwo sonst kann so viel so schnell gewonnen aber auch verloren werden, wie im internationalen Business!