Verhandlungen mit russischen Partnern

Erschienen in Business Guide Russland

Ungeachtet einiger politischer Turbulenzen in jüngster Zeit, auch im Zusam­menhang mit der Ukraine, wird nach wie vor viel internationales Geschäft in Russland und mit Russen gemacht und das in großen Umfang. Deswegen ist der Aspekt der Kommunikation und Verhandlung mit russischen Partnern weiterhin wesentlich wichtig und wird es auch bleiben. Die Art und Weise, wie z. B. ein und dasselbe Projekt in Russland im Vergleich zu Deutschland ausgeführt wird, unterscheidet sich jedoch nach wie vor stark. Generell be­steht im internationalen Bereich keine ,,Normalitat", kein apodiktisches Richtig oder Falsch.

Kulturelle Einflusse

Der Kommunikations- und Verhandlungsprozess unterliegt im Geschäft in Russland einer Vielzahl von kulturellen Einflussfaktoren. Das Potential für Missverständnisse ist erheblich höher als allgemein angenommen. Trotz Kommunikationshilfen, wie z. B. dem Internet oder E-Mails, besitzen Men­schen aus unterschiedlichen Ländern immer einen anderen Hintergrund, der ihre verbale und nonverbale Sprache mit kulturspezifischen Merkmalen prägt.

Insbesondere Russland ist für viele Unternehmer immer noch ein Land vol­ler Überraschungen und Geheimnisse, da es lange Zeit hinter dem Eisernen Vorhang verborgen lag und erst in den letzten Jahren durch seine wirtschaft­liche Entwicklung stärker in den Blickpunkt westlicher Manager gerückt ist.

Die Rollen eines internationalen Managers in Russland

Ein internationaler Manager, v.a. wenn er in Russland arbeitet, muss eine Viel­zahl von Rollen ausfüllen. Er ist Entwerfer, Kommunikator, Überzeuger, Prob­lemlöser, Sachbearbeiter und Koordinator zugleich.

In jeder einzelnen dieser Funktionen ist kulturelle Kompetenz entscheidend. Präsentationen entwerfen, argumentieren, Entscheidungsprozesse im Detail vorantreiben - all diese Tätigkeiten erhalten mit der ,,kulturellen Kompetenz" eine zusätzliche Dimensi­on, die auf internationaler Ebene unbedingt berücksichtigt werden muss:

Insbesondere bei Verhandlungen in Russland benötigt man Fingerspitzengefühl hinsichtlich der Einschätzung der Individualsituation sowie ein hohes Maß an Mikromanagement.

Es ist wichtig, in Russland nichts als selbstver­ständlich vorauszusetzen, indem man das eigene (kulturell geprägte) Ver­ständnis der Situation auf die anderen Gesprächsteilnehmer übertragt. Je­mand, der die russische Mentalität akzeptiert und zugleich ein hohes Aus­maß an Mikromanagement, Durchhaltevermögen sowie eine ausgeprägte positive Persönlichkeit aufweist, hat gute Chancen auf Erfolg.

Er muss zudem jemand sein, der den russischen Gegenpart versteht und insbesondere einen langen Atem hat.

Vorbereitung

Unternehmen, die in Russland investieren, machen im Enthusiasmus für ei­nen neuen und attraktiven Markt häufig den Fehler, dessen tatsächlich beste­hendes Potenzial zu überschätzen.

Aufgrund der Größe des Landes und der Bevölkerungszahl wird ein großes Potenzial erwartet. Es ist aber wichtig zu bedenken, dass die Bevölkerung zu großen Teilen eher ärmlich ist und erst in den nächsten Jahrzehnten die Möglichkeiten haben wird, den Konsumgü­termarkt starker auszuschöpfen.

Auch die Eigenheiten des Landes werden oft unterschätzt. Dies gilt nicht nur für Marktdaten, sondern auch für die gesamte Vorbereitung: So werden nicht geeignete oder nicht genügend trainierte Mitarbeiter eingesetzt bzw. die An­laufphase zu optimistisch und zu kurz kalkuliert.

Aspekte wie die Infrastruk­tur in den russischen Regionen oder die bürokratischen Hürden, z. B. bei Zoll und Zertifizierung, werden für ein Engagement vernachlässigt.

Mit falschen Vorstellungen vom Zielland in die Verhandlungen zu gehen, führt jedoch da­zu, dass unrealistische Verhandlungsziele angestrebt werden. Selbst wenn es gelingt, diese durchzusetzen, ist es wahrscheinlich, dass die Vertragsparteien die Ziele nicht unbedingt einhalten werden und/oder können. Daher ist ei­ne gründliche Vorbereitung unerlässlich.

Der russische Verhandlungspartner

Trotz der scheinbaren Nähe zu Westeuropa sind die kulturellen Unterschie­de in Russland im Vergleich zu Westeuropa erheblich. Für den Russen sind Verhandlungen eine ernsthafte Sache, und so verhält er sich auch.

Er ist grundsätzlich eher personen- als prozessorientiert, weshalb eine persönliche, angenehme Beziehung für einen erfolgreichen Geschäfts- und Verhandlungs­verlauf wichtig ist. Verhandlungen sollten mit russischen Partnern immer auf ,,Augenhöhe" stattfinden (z. B. Vertriebsleiter zu Vertriebsleiter).

Gute Bezie­hungen lassen sich durch höfliche Kommunikation und direkte Verhand­lungsführung, Konsistenz sowie Offenheit aufbauen. Die Neigung zur per­sönlichen Beziehung spiegelt sich auch in dem dichten landesweiten Bezie­hungsnetz der Wirtschaft wieder. Was man in Russland erreicht, entsteht oft durch Reziprozität (,,wie Du mir, so ich Dir") und nicht unbedingt durch of­fizielle Eingaben und Anträge.

Russische Verhandlungspartner setzen v.a. beim deutschen Manager Pünkt­lichkeit und Verbindlichkeit voraus. Sie lassen sich im Gegensatz zu westli­chen Verhandlungspartnern öfter von Emotionen leiten, deren Stil oft durch größere Nüchternheit, Genauigkeit und Sachlichkeit geprägt ist.

Westliche Professionalität gepaart mit persönlicher Integrität - das ist eine Kombinati­on an Eigenschaften, mit denen man einen russischen Geschäftspartner für sich gewinnen kann.

Der russische Verhandlungsstil ähnelt gelegentlich dem südeuropäischen Ma­nager. Härte und ausdauernde Verhandlungen sind normal, zudem werden diese oft geführt, ohne dabei eine Miene zu verziehen.

Auch Basartechniken sind durchaus üblich; entsprechend sollte man Konzessionsmöglichkeiten in sein Angebot einbauen. Es kommt auch vor, dass Zeitdruck aufgebaut wird, um im nächsten Moment zum Abendessen zu gehen und dort ausgedehnte Toasts vorzubringen. Diesen Taktiken kann man nur mit Geduld begegnen, um sich nicht verunsichern und zu Konzessionen drängen zu lassen.

Im Lau­fe der Verhandlungen, aber auch während des gesamten Projektes, ist ein hö­heres Maß an Improvisation notwendig als im Westen, da Verhandlungen und Projekte generell oft ungeahnte Wendungen nehmen.

Russen kommunizieren eher auf direkte Art, so wie es Europäer oder Ame­rikaner gewohnt sind. Trotzdem ist die Kommunikation anders als in West­europa: Das Gesicht zu wahren und das Gegenüber zu respektieren sind zwei zentrale Grundsätze in der russischen Kommunikation, die für Westeuropä­er zu überraschenden Situationen führen können.

Deshalb ist es beispielswei­se empfehlenswert, Kompromisse anzubieten, die vom Gegenüber nicht als Niederlage empfunden werden. Die Rhetorik und Kommunikation sollten höflich und konsistent bleiben.

Zu starke Dominanz oder Besserwisserei sind verletzend und der Atmosphäre am Verhandlungstisch wenig zuträglich. Es gilt: Auch Ratschläge sind Schläge.

Folgende spezifische Aspekte im Rahmen der Verhandlung sollte man sich genauer anschauen:

Die neue Generation an russischen Führungskräften und Unternehmern

Aufgrund seiner jüngsten geschichtlichen Entwicklung trifft man in Russland je nach Altersstufe auf sehr unterschiedliche Charaktere, die praktisch in zwei verschiedenen Welten aufgewachsen sind.

Während gerade Ältere oder Men­schen aus den wirtschaftlich schwächeren Regionen Russlands unter sowje­tischen Verhältnissen aufgewachsen sind und sich entsprechend entwickelt haben, gibt es unter den Jüngeren einen neuen Typus von Geschäftsmann: die ,,Nowyje Russkije", die Neuen Reichen Russlands.

Sie sind meist durch Service- und Handelsgeschäfte, v. a. im Finanzdienstleistungssektor, bei Kon­sumgütern im Ölgeschäft sowie im IT-Bereich in kurzer Zeit sehr wohlha­bend geworden.

,,Nowyje Russkije" mögen keine Belehrungen von westlichen Geschäftsleuten. ,,Was können die Westler uns denn vormachen, was wir nicht schon mit Erfolg und insbesondere unter erschwerten Bedingungen verwirk­licht haben?", sagt ein 35-jähriger Multimillionär aus Moskau, der mit Soft­ware sehr schnell viel Erfolg gehabt hat. Man braucht Geduld und Ausdauer, wenn man etwas von ihnen will.

Russische Verhandlungsteams setzen sich oft aus altgedienten, erfahrenen Ex­perten zusammen, deren Verhandlungsstil dem eines Schachspielers gleicht: Sie planen mehrere Züge im Voraus, wodurch die Flexibilität in Bezug auf plötzliche Änderungen oder neue Ideen sehr gering ist.

Da Kompromissbe­reitschaft als Schwäche ausgelegt werden kann, passiert es, dass Verhandlun­gen plötzlich zum Stillstand kommen. Hier empfiehlt es sich, Kraft und Aus­dauer zu beweisen und nicht nachzugeben.

Russische Verhandlungspartner erwarten von der westlichen Seite, immer auf alles sofort eine Antwort und Lösung zu haben. Sie werden leicht ungeduldig, wenn es zu lange dauert.

Hat man aber eine Gegenfrage oder ein Angebot, dauert es sehr lange, bis man eine Antwort erhält. Ist die Antwort gar negativ, ver­sucht man mit allen Mitteln, den Zeitpunkt hinauszuzögern. Das ist auf der ei­nen Seite sympathisch, auf der anderen aber schwer zu akzeptieren.

Die Rolle des Verhandlungsführers

Die russische Verhandlungsdelegation wird zumeist mit einer Stimme spre­chen und zwar mit der des Verhandlungsführers. Dies ist in der Regel der Ge­neraldirektor, der hinter den Kulissen stark vom kaufmännischen Leiter (in Neudeutsch auch CFO - Chief Financial Officer - genannt) unterstützt wird.

Häufig kann es jedoch vorkommen, dass man es bei Verhandlungen nur mit einem ,,Mittelsmann" zu tun hat, der de facto keine Entscheidungsgewalt hat.

Russische Organisationsstrukturen sind von starken Hierarchien geprägt. Übli­cherweise sieht man sich bei Verhandlungen einem ,,allmächtigen" Generaldi­rektor gegenüber, bei dem die alleinige Entscheidungsbefugnis liegt.

Sollte die­ser nicht anwesend sein, muss man damit rechnen, dass sich die Verhandlungs­partner vor einer endgültigen Entscheidung rückversichern oder diese hinauszögern. Das Delegieren von Verantwortung ist in russischen Unterneh­men absolut unüblich.

Letztlich werden die russischen Mitarbeiter nur das tun, was der Generaldirektor angewiesen hat. Im Ernstfall passiert in seiner Abwe­senheit gar nichts. Die zügige Abwicklung von Verhandlungen hängt also im We­sentlichen vom Generaldirektor ab.

In diesem Zusammenhang kommt aber auch dem kaufmännischen Leiter eine äußerst wichtige Bedeutung zu. Trotz der überragenden Stellung des Generaldirektors ist man auch auf ihn angewiesen, weil er für das Einhalten der Steuer- und Finanzgesetzgebung, die ordnungsgemäße Buchhaltung sowie ein nachvollziehbares Controlling zuständig ist.

Das Hierar­chieprinzip ist v.a. bei der älteren Generation in Russland vorhanden. Die junge Generation mit ihrer westlichen Ausbildung entfernt sich zunehmend davon.

Auf dem russischen Verhandlungsparkett

Grundsätzlich verlaufen Verhandlungen nach dem unten abgebildeten Sche­ma, wobei sich der Prozess der Verständigung, des Zuhörens und des Ver­handelns mehrfach wiederholen kann.

Mit der Einigung kann auch nur ein Teilergebnis erzielt worden sein, bevor in einer weiteren Runde das nächste Thema verhandelt wird.

Ein wesentlicher Faktor bei Vertragsverhandlungen ist die Rolle des Projekt­managers oder ,,Kümmerers", der in allen Angelegenheiten des Vertrages / Projektes als Person mit dabei sein sollte und der sein Management sowohl bezüglich Mentalitäts- als auch Vertragsexpertise unterstützt.

Er ist derjeni­ge, der mit Meilensteinen deutlich den deutschen Verhandlungsstil fokus­siert, dem russischen Gegenpart kleine Schritte vorschlagt und diese insbe­sondere auf nachhaltige Weise gemeinsam realisiert.

Diese Rolle ist extrem wichtig, da eine Diskrepanz zwischen der deutschen, sachorientierten Vor­gehensweise und der personenorientierten, situationsbedingten Verhaltens­weise der russischen Seite besteht. Die deutsche Seite fokussiert sich eher auf Zuverlässigkeit und Prozesse, wohingegen die russische Seite vielmehr auf Vertrauen zählt.

Konzessionsgewährung mit russischen Geschäftspartnern

In der Regel machen beide Parteien im Verlauf der Verhandlung einander Zugeständnisse und nähern sich in ihren Verhandlungsstandpunkten an.

Man sollte dabei auch bei den einzelnen Konzessionen ,,verhandeln". Ein kluger Verhandlungspartner macht möglichst nur dann eine Konzession, wenn die andere Partei ihrerseits zu einem Zugeständnis bereit ist.

Die Möglichkeiten, Konzessionen zu machen, werden größer, je besser man die eigenen und die Interessen der anderen Seite kennt.

Konzessionen werden nur dann gemacht, wenn Gegenkonzessionen zuge­standen werden. Hier muss man aufpassen: Kleinere Zugeständnisse von der Gegenseite bedingen Großkonzessionen von der eigenen Seite.

Es bietet sich an, im ersten Entwurf eines Vertrags einige Punkte einzubauen, die man als Konzessionen im Laufe der Verhandlungen gegebenenfalls aufgeben kann. Ohne diese Puffer ist es kaum möglich, das erwünschte Verhandlungsergeb­nis zu erzielen.

Aber Vorsicht: Leicht zugestandene Konzessionen machen den russischen Geschäftspartner misstrauisch.

Konflikte lösen in Russland

Das Ziel von Verhandlungen ist, die anfänglich sehr unterschiedlichen Vorstel­lungen der jeweiligen Parteien aneinander anzupassen. Währenddessen kann es nicht nur zu Meinungsverschiedenheiten kommen, es können auch ernst­hafte Konflikte entstehen, die den Verhandlungserfolg gefährden.

Es gibt ver­schiedene Möglichkeiten, damit umzugehen:

Zunächst gilt es, die Sach- und Beziehungsebene zu trennen. Der russische Part­ner ist kein abstrakter Repräsentant eines Unternehmens, sondern zunächst ein­mal Mensch.

So verleitet der Unmut über eine unangenehme Situation oft da­zu, diesen Ärger an der auf der anderen Seite stehenden Person auszulassen. Um dies zu vermeiden, sind Beziehungselemente wie Verständnis, Respekt, Zunei­gung und Frustration einerseits und Sachelemente wie Preise, Spezifikationen, Zahlungs- und Lieferbedingungen andererseits, genau auseinanderzuhalten.

In der Sache sollte man so hart wie möglich attackieren und gegebenenfalls kei­nen Millimeter nachgeben, aber gleichzeitig höflich mit dem Partner umgehen.

Aus der Psychologie ist bekannt, dass dann häufig auch der Gegenpart dieser Vorgehensweise folgt und lediglich das Sachproblem aufgreift.

Einbeziehung von Spezialisten

Bei Verhandlungen in Russland gibt es verschiedene Problembereiche, die man als ausländischer Geschäftsmann kaum lösen kann und wo der Einsatz von Spezialisten unabdingbar ist.

Dies betrifft die Sprache und insbesondere auch das russische Recht.

Neben guten und erfahrenen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern benö­tigt man aber auch international erfahrene Personal- und Unternehmensbe­rater, die im Vorfeld eine internationale Kommunikations- und Strategiebe­ratung erbringen und danach auch dabei behilflich sind, die passenden Füh­rungskräfte im Ausland oder im internationalen Umfeld zu finden.

Weitere Tätigkeitsfelder sind komplexe Steuerfragen bei Unternehmensübernahmen, die das Hinzuziehen von Steuer- und Bilanzexperten oder den Kontakt mit internationalen sowie nationalen Behörden erforderlich machen.

Viele Ko­operationen im technischen Bereich, wie der Austausch von Know-how und Patenten, fördern den rechtlichen Rat von Patentanwälten. Die Liste von Spe­zialisten kann sehr lang werden. Dabei ist eine Frage entscheidend: Wie kann man das Wissen solcher Experten in Verhandlungen einbringen und effektiv umsetzen, auch in Anbetracht der nicht unerheblichen Beratungskosten?

Es ist ratsam, solche Rollen im Vorfeld einer Verhandlung exakt zu definieren. Lokale Spezialisten (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Personal- und Unter­nehmensberater) können mit Hilfe der Handelskammern, internationalen Banken, Business Development Agencies vor Ort in Russland und über Suchmaschinen im Internet gefunden werden.

Das Einholen von Referenzen, ide­alerweise von Klienten und/oder Unternehmen, die eine ähnliche Größe so­wie ähnliche Produkte und Aktivitäten im Ausland haben, ist sehr sinnvoll.

Dolmetscher

Man darf nicht den Fehler machen und glauben, mit Englisch käme man über­all weiter.

Natürlich ist Englisch die einzig wirklich globale Sprache. In der Re­alität prallen jedoch häufig gegensätzliche Mentalitäten aufeinander. Es wird zwar auf Englisch kommuniziert, aber man spricht letztlich nicht dieselbe Spra­che.

Hinzu kommen unterschiedlich gute Kenntnisse der englischen Sprache, die die Verständigung erschweren können: Zwar sprechen viele junge Russen sehr gut Englisch, aber die Entscheidungsträger sind oft ältere Manager, deren Englischkenntnisse (v.a. bei Geschäftspartnern außerhalb Moskaus oder Sankt Petersburgs) begrenzt sein können.

Da verhandlungstaugliche Russischkennt­nisse bei deutschen Managern eher selten vorhanden sind, ist es in diesem Fall sinnvoll, sich von einem Dolmetscher unterstützen zu lassen.

Die Auswahl eines Dolmetschers sollte sehr sorgfältig erfolgen: Im Idealfall kann man auf eine Empfehlung von Dritten zurückgreifen, andernfalls gilt es, sich genau über die spezifischen Kenntnisse des Dolmetschers zu informieren.

Der Dolmetscher übersetzt klassischerweise von einer Sprache in die ande­re, vorzugsweise mit technischem, kaufmännischem oder juristischem Fach­vokabular.

In diesem Fall ist er nur ein Mittler, ein Werkzeug im Verhand­lungsprozess. Er nimmt keinen Einfluss auf den Gesprächsverlauf, wie es die Verhandlungspartner tun.

Eine kurze und knappe Ausdrucksweise, wobei man die wichtigsten Punkte z. B. an einer Tafel visualisiert, erleichtert die Kommunikation und macht auch komplexe Inhalte klarer. Außerdem sollte man sich regelmäßig rückver­sichern, ob auch alles richtig verstanden wurde.

Checkliste

  • Der Dolmetscher muss im Voraus über die Agenda und den gesamten Verhandlungsablauf informiert werden.
  • Unterbrechungen (jede Stunde circa fünf bis zehn Minuten) und ausrei­chend Zeit für Übersetzungen sind einzuplanen. Schaffen Sie zudem eine angenehme Atmosphäre.
  • Vermeiden Sie Dialekte, Begriffe mit mehrfacher, missverständlicher Bedeutung sowie doppelte Verneinungen. Erklären Sie jedes wesentliche Konzept auf verschiedene Weise. Das hilft dem Dolmetscher, die Argu­mentation während der Verhandlung nicht zu vergessen.
  • Sprechen Sie nicht mehr als ein oder zwei Minuten und unterbrechen Sie dann, um dem Dolmetscher die Möglichkeit zur Verarbeitung und Über­setzung zu geben.
  • Sorgen Sie dafür, dass sich der Dolmetscher Notizen machen kann. Um zu verhindern, dass verbale Äußerungen in der Hitze der Diskussion vergessen werden, schreiben Sie wesentliche Punkte an die Tafel.
  • Der Dolmetscher ist dafür verantwortlich, dass beide Parteien ständig darüber informiert sind, was gerade gesagt und verhandelt wird. Ist dies nicht mehr gewährleistet, muss er auch das Recht haben, die Diskussion zu unterbrechen.
  • Der Dolmetscher darf nicht zu einem selbstständigen Verhandlungs­teilnehmer werden.
  • Wählen Sie einen Dolmetscher aus, der nachweisbare und v. a. vergleich­bare Referenzen aufweist und sich insbesondere auch im einschlägigen Fachvokabular auskennt.

Lokaler Verbindungsmann

Alternativ zu einem Dolmetscher kann auch ein lokaler Verbindungsmann ein­gesetzt werden, der als Kontaktperson vor Ort den gesamten Prozess vorberei­tet und begleitet und für Simultanübersetzungen herangezogen werden kann.

Ein lokaler Verbindungsmann kann auch eingesetzt werden, und in einzelnen Aspekten der Verhandlungen die Situation und die Stimmung der Gegenseite zu analysieren.

Eine andere Besonderheit sind zweisprachige Mitglieder des Teams, die neben ihrer Verhandlungsfähigkeit auch noch die Rolle des Dolmetschers überneh­men.

In jedem Fall ist es wichtig, die Rolle und den Einsatz des Dolmetschers vorher abzustimmen. Die Qualität der Kommunikation hängt stark von der Anzahl der eingesetzten Übersetzer ab, weshalb hier ,,weniger mehr" ist.

Rechtsanwälte

Normalerweise werden Fachleute in internationalen Verhandlungen nur in die jeweils relevanten Teilprozesse involviert und sind keine ständigen Mit­glieder des Teams.

In diesem Fall beschäftigen sie sich ausschließlich mit der Lösung spezieller Fachfragen, die im Laufe der Verhandlungen auftreten. Die professionelle Expertise von Spezialisten muss nicht notwendigerweise nur von einer Partei genutzt werden: Ein Schiedsmann, Schlichter oder Vertrau­ensmann kann durchaus beiden Seiten von Nutzen sein, wenn man sich über dessen Neutralität und Problemlösungskompetenz einig ist.

Bevor man einen Spezialisten einschaltet, sollte man Folgendes bedenken: Die fachliche Expertise ist selbstverständlich unabdingbar.

Der Spezialist soll­te aber idealerweise auch über fundiertes Wissen und Erfahrung im geschäft­lichen Bereich verfügen, also kein reiner Theoretiker sein.

Darüber hinaus sollten Fachleute - auch aus Kostengründen - nur sehr gezielt eingesetzt und nicht planlos am gesamten Verhandlungsprozess beteiligt werden. Es macht durchaus Sinn, einen Verhandlungspunkt, der den Einsatz von Spezialisten erfordert, aus dem Verhandlungsprozess herauszulösen und separat zu be­handeln.

Die Entscheidung für Teilverhandlungen in internationalen Ver­handlungen und über die Hinzuziehung von Experten sollte der Leiter des Verhandlungsteams fallen.

Rechtsanwälte sind die wohl gefragtesten Spezialisten für Geschäfte in Russ­land, denn das russische Rechtsverständnis unterscheidet sich in einigen Punkten grundlegend von den deutschen Regelungen.

So gilt im Gegensatz zu Deutschland das geschriebene Wort und nicht etwa die Willensüberein­stimmung. Deshalb ist es besonders wichtig, alle Verhandlungsergebnisse im Detail schriftlich festzuhalten, und zwar unabhängig davon, ob die Vereinba­rung teilweise oder vollständig getroffen worden ist.

Es empfiehlt sich, zu Beginn der Verhandlungen die Vollmachten der Gegenseite abzuklären. Ist sie befugt, ein Geschäft abzuschließen oder sollen zunächst nur Informatio­nen gesammelt und das Terrain sondiert werden, damit in der nächsten Ver­handlungsrunde ein anderer Mitarbeiter die Vereinbarung verbindlich ab­schließen kann?

Oft ist dem russischen Geschäftspartner nicht bewusst, dass bei Unterzeichnung von ihm die Vertragstreue gefordert wird.

Es ist im Ge­genteil ein durchaus übliches Vorgehen, einmal vereinbarte Festlegungen in der nächsten Verhandlungsrunde zu modifizieren. Eine Art ,,Vertragskons­tanz" oder die Verpflichtung, sich an geschlossene Vereinbarungen zu halten, besteht nicht immer.

Mündliche Zusagen haben für gewöhnlich keine lange Lebensdauer; als Rechtfertigung für die Abweichung werden häufig verän­derte Umstände herangezogen. Deshalb sollte man zugesagte Lieferzeiten nicht immer buchstäblich nehmen. Es ist schließlich allgemein bekannt, dass der Weg nach Deutschland weit ist und dass die westlichen Partner schlech­tem Geld kein gutes hinterherwerfen werden.

Vieles, was in Deutschland als selbstverständlicher Verhandlungs-Usus gilt, bedarf in Russland schriftlicher Fixierung.

Verträge sind ebenso wie Gesetze eher schwammig formuliert, sodass Spielraum für unterschiedliche Interpre­tationen bleibt.

Die ,,Paragraphenreiterei" westlicher Manager stößt oftmals auf Unverständnis. Die etwas weitere Vertragsauffassung stößt jedoch in Russ­land dort abrupt an ihre Grenzen, wo es sich um offizielle Dokumente handelt.

Schriftstücke, die man für genehmigungspflichtige Geschäfte benötigt oder auch Vorlagen von Steuerbehörden, haben in Russland einen hohen Stel­lenwert; hier ist die exakte Einhaltung wichtig.

Aufgrund dieser Situation spielen im geltenden russischen Rechtssystem Rechtsanwälte für ausländische Geschäftspartner eine wichtige Rolle. Rechts­anwälte sind nicht nur Berater in juristischen Fragen, sondern werden oft auch als Dolmetscher eingesetzt.

Will man einen Rechtsanwalt hinzuziehen, so stellt sich die Frage, ob man einen russischen Rechtsanwalt oder einen aus­ländischen wählt, der für eine internationale Firma in Russland tätig ist.

Er­fahrungsgemäß empfiehlt sich die Auswahl eines Rechtsanwalts einer inter­nationalen Kanzlei, der die Mentalität der Russen kennt, aber nach westli­chen Standards arbeitet und nicht von der Regierung abhängig ist.

Oft beschäftigen international tätige Kanzleien russische Juristen, die im Ausland studiert haben. Diese kennen die westliche sowie die russische Denkweise und sind ideale Berater bei Verhandlungen.

Die Rolle des Projektmanagers oder ,,Kümmerers"

Um in der Verhandlung voranzukommen und insbesondere eine reibungs­lose Implementierung der Ergebnisse nach der Verhandlung zu ermöglichen, empfiehlt sich in Russland der Einsatz eines Projektmanagers.

Dieser erarbei­tet nach Verhandlungsschluss die Meilensteine und überprüft kontinuierlich die Einhaltung der vereinbarten Ziele. Bei Bedarf fungiert er als Krisenma­nager und Problemlöser.

Bei der Definition der Meilensteine sollte man darauf achten, dass zwischen den einzelnen Teilzielen keine zu großen Zeitabstände liegen.

So ist es leichter, die Fortschritte festzuhalten und bei Schwierigkeiten zeitnah einzugreifen.

Der Projektmanager muss sich mit den Details des Vertrags gut auskennen. Das ist wichtig, da in Russland die Vertragstreue nicht so stark ausgeprägt ist wie in Deutschland.

Außerdem sollte man sich bei der Zeitplanung auf mög­liche Schwierigkeiten einstellen.

Der spätere Projektmanager sollte möglichst bereits an den Verhandlungen teilnehmen. Auch wenn er hier eine rein passive Rolle einnimmt, bekommt er persönlich mit, welche potenziellen Schwierigkeiten diskutiert werden. Der Wissenstransfer vom Verhandelnden zum Projektmanager ist unter dieser Voraussetzung leichter und weniger fehleranfällig.

Der Projektmanager wird später oft der ,,Kümmerer", der das Projekt voran­treibt und mit Mikromanagement alle weiteren Schritte anstößt, einleitet und koordiniert.

Dieser ,,Kümmerer" sollte Russland kennen, aber einen westli­chen Hintergrund haben und ist als ,,Wanderer zwischen den Welten" (Russ­land/Deutschland) ein wesentlicher Faktor, der das Gespräch zum Erfolg bringen kann.

Russland privat

In Russland gibt es eine Vielzahl von gesellschaftlichen Normen, die Westeu­ropäern fremd sind.

Daher sollte man sich gut informieren, um auch auf Si­tuationen rund um die eigentlichen Verhandlungen vorbereitet zu sein. Zu einem Geschäftsessen wird man zumeist in ein Restaurant einladen.

Eine Ein­ladung nach Hause ist selten und eine besondere Ehre. Ein Strauss Blumen für die Frau des Gastgebers gehört dabei zum guten Ton.

Grundsätzlich gilt, dass man sich in Russland nicht über die Türschwelle hin­weg begrüßt. Bei Tisch herrscht üblicherweise eine Sitzordnung; der Gast wartet, bis der Gastgeber Platz genommen hat.

Der Alkoholmissbrauch früherer Jahre schwindet im modernen Geschäfts­leben Russlands.

Ein Trinkgelage, wie früher üblich, wirkt auf einige jüngere Manager in Russland eher befremdlich. Trotzdem sollte man aufpassen: Ältere Russen schätzen Wodka nach wie vor und vertragen eine Menge davon.

Wer es nicht gewohnt ist, sollte nur bei Toasts ,,mithalten". Bei diesem ausgesprochen wichtigen Ritual gehört der erste Trinkspruch immer dem Gastge­ber. Danach ist es wichtig, in einem eigenen Toast auf den Gastgeber einzu­gehen und ihn bzw. die Gesamtsituation positiv herauszustellen.

Das schafft ein gutes Klima auch für spätere Verhandlungen.

Das Interesse an Russland erstreckt sich verständlicherweise in erster Linie auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die das Land bietet.

Aber Russland bietet auch in kultureller und historischer Hinsicht reichlich Facetten, bei de­nen sich ein näherer Blick lohnt. Derartige Aspekte sind nicht nur hochinte­ressant, sondern können sich am Verhandlungstisch als hochgradig nützlich erweisen, denn fehlendes Interesse und mangelnde Landeskenntnisse kön­nen zum unüberwindlichen Hindernis werden.

Wie oft passiert es, dass rus­sische Geschäftspartner von ihrem Land erzählen oder auf lokale Probleme zu sprechen kommen und vom deutschen Geschäftspartner durch Desinter­esse zurückgewiesen werden.

Insbesondere wenn man Verhandlungen in den Regionen Russlands führt, sollte man (kulturelles) Vorwissen mitbringen und über wesentliche lokale Probleme informiert sein.

So wirkt das (wirtschaftliche) Interesse am Land wesentlich authentischer und die Gefahr eines Fauxpas in der Kommunika­tion ist deutlich geringer.

Ausblick

Hat man den richtigen Partner gefunden und ist die persönliche Geschäfts­beziehung erst eingespielt, kann man dauerhaft gute Geschäfte in Russland machen.

Abgesehen von Beratern der Regierung, die ihre Bedeutung sehr gut kennen und das ihr Gegenüber zuweilen auch spüren lassen, ist das Verhan­deln mit Russen im Allgemeinen angenehm. Privatisierte Unternehmen, die von ihrem Eigentümer vertreten werden, sind entscheidungsfreudig und ha­ben oft ein erhebliches Interesse an internationalen Geschäftspartnern.

Allerdings wird die Fähigkeit zu verhandeln auch in Russland nach wie vor unterschätzt. Diese sollte man nicht vernachlässigen, denn nirgendwo sonst wird so viel gewonnen, aber auch so viel verloren wie bei Verhandlungen.

Tipps

  • Vermeiden Sie Unklarheiten! Die andere Sprache und die Einbeziehung eines Dolmetschers, so gut er auch sein mag, erschweren die Kommuni­kation bereits hinlänglich. Transparenz ist daher essentiell. Am besten verwenden Sie auch Visualisierungshilfen.
  • Wenn Ihr Verhandlungspartner eine Frage stündig wiederholt, kann das heißen, dass er Ihre Antwort nicht verstanden hat. Berücksichtigen Sie auch den Wissensstand Ihres Vertragspartners, und erklären Sie den Sachverhalt bei Bedarf wie für einen Laien. Vermeiden Sie dabei aber unbedingt, herablassend zu wirken.
  • Unterschätzen Sie nie die für Verhandlungen benötigte Zeit in Russland. Nicht umsonst spricht man vom Zeitfaktor 4; was bedeutet, dass man die vierfache Zeit für die gleichen Geschäfte wie im Westen benötigt.
  • Es empfiehlt sich weiterhin, zwischen dem Verhalten der Gegenseite während und außerhalb der Verhandlungen zu unterscheiden. Harte, Ungeduld und Gefühlsausbrüche während der Verhandlungen sollte man mit Ruhe, Ausdauer und Konstanz begegnen, während man außerhalb der Verhandlungen durchaus Sympathie und persönliche Affinität zeigt.
  • Unterschätzen Sie den russischen Partner nicht. Russische Geschäftsleute haben vieles über Verhandlungsmethoden gelernt und zum Teil kulturell angepasst übernommen. Ein Kompliment wie ,,Sie sprechen gut Englisch" kann für Sie zum Eigentor werden. Die Antwort könnte lauten: ,,Vielen Dank. Wir essen auch mit Messer und Gabel."

Zusammenfassung

Eine gute Vorbereitung ist das A und O für jede Verhandlung in Russland. Dazu gehört auch, dass man sich über die kulturellen Besonderheiten und Gepflogenheiten informiert sowie orts- und sprachkundige Experten hinzu­zieht.

Wichtig ist v.a. auch die richtige persönliche Partnerschaft zu Geschäfts­klienten und Kooperationspartnern. Diese persönliche Beziehung (oft auch dem Glück und/oder Zufall geschuldet) ist in Russland essentiell.

Darüber hinaus ist der Einsatz der Person des ,,Kümmerers" vor Ort wesent­lich.

Diese Person sollte die russische Seite verstehen, interessiert an Russland sein, die richtige Personenbeziehung aufbauen, aber gleichzeitig auch im Mi­kromanagement stark sein, um von den Deutschen gelegte Meilensteine, auf russischer Seite und v.a. auch gemeinsam umzusetzen.

Wurde die richtige Person gefunden, ,,der Wanderer zwischen den Welten", ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg bei Verhandlungen, Projekten und Geschäften in Russ­land gegeben. Das flächenmäßig größte Land der Welt bleibt nach wie vor sehr attraktiv für westeuropäische Unternehmen.