Internationales Business in Frankreich

Erschienen in International Business to go

Vive la France – Frankreich ist nicht nur das Land der Gourmets und Lebensfreude, der Nachbar ist auch Deutschlands wichtigster Handelspartner mit einem Binnenmarkt von rund 65 Millionen Konsumenten und ein Brückenkopf zu mehr als 100 Millionen Verbrauchern in den Nachbarländern.

Frankreich und Deutschland sind mehr als nur Nachbarn. Beide Länder kooperieren eng miteinander und sind stark in der EU repräsentiert. Die politischen Turbulenzen und Terroranschläge der jüngeren Vergangenheit machen umso betroffener. Mit der Wahl des neuen Präsidenten Emmanuel Macron im Mai 2017 befindet sich Frankreich in einem Erneuerungsprozess.

Parlez-vous français?

Das erste Hindernis beim Verhandeln mit französischen Geschäftspartnern ist die Sprache. Mag Englisch weltweit Verhandlungssprache Nummer Eins sein – in Frankreich ist sie es nicht.

Die nachrückende Managergeneration spricht aufgrund der wachsenden Internationalisierung jedoch zunehmend Englisch – und selbst Deutsch ist im Business auf dem Vormarsch. Doch der Schutz der französischen Sprache ist staatlich geregelt und auch bei Geschäften und Verhandlungen wird vornehmlich immer noch auf Französisch kommuniziert - vor allem bei älteren Führungskräften.

Wer zu wenig Französisch beherrscht, sollte bereits im Vorfeld der Verhandlungen Dolmetscher einschalten.

Falls Sie der französischen Sprache mächtig sind und diese in Ihren Verhandlungsgesprächen anwenden möchten, sollten Sie jedoch auf etwaige Stolpersteine, sogenannte „False Friends“, achten: Das französische „concours" etwa steht für Wettbewerb und nicht für Konkurs, der „compromis" hat zwar dieselbe wörtliche Bedeutung wie der deutsche Kompromiss, wird aber negativ als Eingeständnis verstanden.

Und das „concept" ist in Frankreich kaum mehr als eine vage Idee und nicht wie im Deutschen ein ausgearbeiteter Entwurf.

Geht es bei den Verhandlungen ins Detail und gestaltet sich das Vertragswerk kompliziert, empfiehlt es sich immer, einen französischsprachigen Juristen hinzuziehen. Denn das Französische wird bestimmt durch Feinheiten, Zweideutigkeiten und dem „sens caché“, der versteckten Botschaft der Diskurse.

Oft können diese Feinheiten in der Sprache untergehen und Missverständnisse zwischen beiden Parteien auftreten.

Der Dresscode: Klassisch und elegant

Franzosen sind allgemein eher klassisch und elegant gekleidet. Demnach sollte man bei Verhandlungen mit Franzosen auf weiße Socken und poppige Farben verzichten und klassische, eher dunkle Farben, vorziehen.

Das Auftreten und das Aussehen sind sehr wichtig in Frankreich, Eleganz gehört zum Businessstil.

Beidseitige Missverständnisse

Für deutsche Geschäftsleute ist es in Frankreich mitunter schwierig, zwischen Offenheit und Form, Enthusiasmus und Distanz zu unterscheiden. Dass allerdings auch die Franzosen Probleme mit ihren deutschen Gesprächspartnern haben, wird häufig übersehen.

So beschreiben sie das Naturell deutscher Manager gern mit Begriffen wie nüchtern, kühl, trocken, direkt, wenig engagiert und ohne Esprit.

In Frankreich hingegen zählen der bon esprit, die Konversation und die Verbindlichkeit. Seien Sie daher kommunikativ, gehen Sie auf Ihren Gesprächspartner ein, erzählen Sie auch von sich.

Der Stil in Frankreich ist eher assoziativ als nüchtern und man arbeitet gern kreativ und kommunikativ. Eleganz und Eloquenz in der Kommunikation, gepaart mit Enthusiasmus und einer stringenten Logik – esprit cartésien – werden daher einem technokratisch-nüchternen Sprach- und Verhandlungsstil vorgezogen.

Seien Sie im Laufe der Gespräche nicht zu direkt und lassen Sie sich Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen. Investieren Sie in die Beziehung, bevor Sie zum Geschäftlichen übergehen.

Der vertrauliche Umgang

Ein vertraulicher Umgang mit dem Geschäftspartner wird in Frankreich nur unter hierarchisch Gleichgestellten akzeptiert. Zurückhaltung gegenüber ranghöheren Managern ist angebracht.

Bei einer regelmäßigen Zusammenarbeit ist es zwar üblich, dass sich die Gesprächspartner beim Vornamen nennen. Der Konvention entsprechend wird dem Vornamen jedoch oft das "Sie" angehängt.

Diese Kommunikationsform ist in Deutschland kaum üblich. Per Du ist man mit einem Franzosen tatsächlich erst, wenn einem diese Variante förmlich angeboten wird. Bleiben Sie daher so lange beim „Sie“, bis Ihnen vom französischen Partner das „Du“ angeboten wird.

Sonst kann es passieren, dass Ihnen Ihr französischer Geschäftspartner auf die Frage „On veut tutoyer?“ („Wollen wir uns Duzen?“) mit „Si vous voulez.“ („Wenn Sie möchten.“) antwortet.

Geduld ist gefragt

Erwarten Sie nicht, dass es in Verhandlungen gleich zur Sache geht. Die Franzosen lassen sich Zeit – auch was Termine und pünktliches Erscheinen angeht. Eine halbe Stunde Karenzzeit ist üblich.

Sitzt man dann endlich gemeinsam am runden Tisch, stehen Zahlen und Bilanzen zunächst hintenan. Französische Manager lieben Umwege, sie abstrahieren gern und werden erst nach einer intellektuellen Aufwärmphase wirklich konkret.

Sie planen das Projekt kurz, lassen sich jedoch bei der Durchführung lange Zeit und sind flexibel. Im Gegensatz dazu sind es deutsche Manager gewohnt, lange zu planen, um sich anschließend eng am Projektablauf zu orientieren und zum Ziel zu kommen.

Bei französischen Verhandlern hingegen steht oft der Gedankenaustausch im Vordergrund und weniger die Entscheidungen.

Die kommen später. Diese Methode steht ganz im Gegensatz zur deutschen und amerikanischen Vorgehensweise, wo gleich zu Beginn die relevanten Details abgeklärt werden.

Vom Allgemeinen hin zu den Einzelheiten

Das Verhandlungsprozedere beginnt fast immer mit Diskussionen über generelle Probleme und möglichen Strategien. Zunächst einigt man sich über den Zweck des Geschäfts, anschließend über die anzuwendenden Grundsätze, dann über den groben Inhalt und schließlich über die Einzelheiten.

Der französische Manager demonstriert dabei gern Sinn für Inspiration und Improvisation.

Es kann passieren, dass er ohne ersichtlichen Grund zwischen mehreren Themen hin- und herspringt. Dies ist entweder ein Zeichen, dass er sich seiner Position nicht sicher ist und sie erst noch genauer definieren will.

Es ist aber auch möglich, dass er taktisch vorgeht und versucht abzuklopfen, wie sattelfest Sie sind. Lassen Sie sich nicht von Details ablenken, sondern konzentrieren sich auf die wesentlichen Punkte.

"Wenn auch die harten Fakten zu Beginn kaum eine Rolle spielen, sollte man die entscheidenden Kennzahlen jederzeit parat haben", rät ein deutscher Vertriebsleiter, "die Franzosen können von einer Minute auf die andere von ethischen Grundsätzen zu Gewinnmargen und Rabatten springen. Hier ist höchste Aufmerksamkeit gefragt.“

Die Verhandlung

Dass auch die französischen Geschäftspartner manchmal ihre liebe Not haben, dem deutschen Verhandlungsritual Verständnis entgegenzubringen, beschreibt ein französischer Marketingdirektor: "Die Deutschen sind häufig unflexibel und immer davon überzeugt, dass ihre Sichtweise die einzig richtige ist."

Was ihn am meisten stört, ist jedoch das mangelnde Feingefühl für Konversationen, die über die reine Inhalts- und Sachebene hinausgehen.

Die Neigung der französischen Manager zu abstrakten Gedankengängen spiegelt sich auch in der Verhandlungsrhetorik wider.

Die freie Rede wird ihnen schon während ihrer Universitätsausbildung beigebracht und genießt bei jedem französischen Manager einen hohen Stellenwert. Er erwartet in diesem verbalen Duell auch Widerspruch. Ziel ist es, in einem intellektuellen Diskurs die Probleme gemeinsam zu lösen.

Dennoch wird Ihr französischer Partner hartnäckig bei seiner Sicht der Dinge bleiben und keine Zugeständnisse machen, bevor Sie ihn nicht mit einer lupenreinen Logik von Ihren Argumenten überzeugt haben.

Lassen Sie sich daher beim Verhandlungs- und Projektverlauf zu einem gewissen Grad überraschen und halten Sie nicht hundertprozentig an konkreten Prozessen fest.

Flexibilität ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Gehen Sie davon aus, dass die Agenda sowie die Teilnehmer und Inhalte der Besprechung geändert werden können. Empfehlenswert sind genügend Zeitreserven, da Unterbrechungen mit einkalkuliert werden sollten.

Zu guter Letzt empfiehlt es sich, den Verhandlungs- und Projektablauf regelmäßig zusammenzufassen.

Damit wird gewährleistet, dass Sie gemeinsam mit dem französischen Partner den aktuellen Prozessverlauf definieren: Flexibilität, Gelassenheit und Prozessorientierung – das sind Eigenschaften, die er schätzen wird.

Rhetorik als Selbstdarstellung

Im Gegensatz zur deutschsprachigen Kultur sind für den französischen Manager Rhetorik und Diskurs kein bloßes technisches Instrument.

Vielmehr dienen sie der Selbstdarstellung. Auch in Briefen, die gern auf Französisch verfasst werden, gibt es Feinheiten. So enthalten französische Geschäftsdokumente häufig übertrieben anmutende Höflichkeitsformeln.

Sie sind aber üblich, da sie der Tradition der französischen Schriftsprache entstammen. Ist der intellektuelle Diskurs der Verhandlung erfolgreich geführt, legt der französische Manager jedoch Wert auf einen schlüssigen Vertrag mit präzisen Definitionen.

Papierschlachten, charakteristisch für Verhandlungen mit Amerikanern, sind nicht zu befürchten. Gleichwohl akzeptiert ein französischer Manager meist Detailänderungen am Vertrag, wenn sich die Dinge weiterentwickeln.

Folgendes Beispiel, bezogen auf die Gründung einer Gesellschaft kann dies veranschaulichen:

Ein kleineres mittelständisches Unternehmen aus dem B2B-Sektor möchte expandieren. Der zuständige Bereichsleiter scheut sich in die offensichtlichen Wachstumsmärkte zu gehen.

„Warum nicht das Geschäft in Frankreich anfangen, zumal der Markt relativ groß ist und das Land unser Nachbar ist?“, denkt der Bereichsleiter. Er hat jedoch das Problem, dass er der französischen Sprache nicht besonders mächtig ist und auch die Strukturen der französischen Wirtschaft nur rudimentär kennt.

Er hat allerdings gelesen, dass er wohl nur dann eine Chance auf dem französischen Markt hat, wenn er sich selbst „französisiert“ und eine eigene Vertriebsniederlassung gründet, die ihren Sitz in Frankreich hat.

Nach reiflicher Überlegung entschließt sich der Bereichsleiter zum Schritt über die Grenze und beginnt mit den Vorbereitungen für die Gründung einer Vertriebsniederlassung.

Es gelingt ihm, die Gesellschaft in Frankreich zu gründen, nachdem er in Paris ein Büro gefunden hat. Nun braucht er noch Vertriebsmitarbeiter sowie, wegen der ausgeprägten Bürokratie in Frankreich, zwei zweisprachige Mitarbeiter für die Administration.

Er findet sie, wenn auch für relativ viel Geld, in Paris.

Mit zwei Verwaltungsangestellten, zwei Verkäufern und einem netten Büro kann es nach fünf Monaten endlich losgehen. Der Bereichsleiter ist davon überzeugt, dass seine Verkäufer nun schnell Aufträge generieren werden.

Inzwischen hat er einen der beiden Verkäufer zum Geschäftsführer seiner Frankreich-Niederlassung gemacht. Er hofft, dass dessen Motivation zum Erfolg des Unternehmens beiträgt.

Kaum sind die Aufgaben erledigt, erklärt der französische Geschäftsführer seinem deutschen Chef, dass ihm das ausgehandelte Gehalt zu niedrig sei, zumal die in Aussicht gestellten Bonifikationen aufgrund ausbleibender Umsätze ausblieben.

Er habe aber fest damit gerechnet und es wäre ja nicht seine Schuld, dass die französischen Behörden so langsam arbeiteten und französische Partner vielleicht etwas länger brauchen, um ein Projekt zu vergeben.

Der deutsche Bereichsleiter ist empört und kündigt seinem Mitarbeiter.

Um Schlimmeres zu verhindern, fährt er mit drei Mitarbeitern sofort nach Paris. Ein Gerichtsvollzieher soll helfen, Büro und Lager zu öffnen.

Dieser meint jedoch, er könne nur auf Anweisung des französischen Geschäftsführers aktiv werden. Ein Teufelskreis! Nur mit erheblichem Zeitaufwand kann der Bereichsleiter die Angelegenheit klären.

Das Beispiel zeigt, dass man auf lokales Know-how auch in einem so nahegelegenen Land wie Frankreich stark angewiesen ist.

Folgende Punkte sind wesentlich:

  • Sie brauchen einen lokalen und kompetenten Ansprechpartner in Frankreich, der die Gewohnheiten kennt. Dies gilt für juristische, kaufmännische und andere Gepflogenheiten.
  • Seien Sie flexibel und rechnen Sie mit Überraschungen.
  • Legen Sie nicht zu viel Wert auf geplante Prozesse. Flexibilität ist angesagt.
  • Nehmen Sie sich genügend Zeit und bleiben Sie bei Unterbrechungen gelassen.
  • Sie sollten im Rahmen der verschiedenen Projektabschnitte immer wieder den Status quo zusammenfassen, um damit zu gewährleisten, dass Ihr Gegenüber den gleichen Sach- und Kommunikationsstand hat wie Sie.

Deutschland und Frankreich – so nahe und manchmal doch so fern.

Frankreich ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Nachbarstaaten trotz geografischer Nähe beträchtlich voneinander unterscheiden können. Beachtet man die bestehenden Unterschiede, so steht dem Geschäftemachen in Frankreich und mit den Franzosen wenig im Wege.

Französisches Savoir vivre und Eleganz sowie deutsche Primärtugenden sind keine schlechte Kombination, wenn man beides mit etwas Humor und Esprit nimmt. Nicht umsonst ist Frankreich der wichtigste Exportpartner Deutschlands. Bonne chance!