Interkulturelle Besonderheiten und Verhandeln

Erschienen in Business Guide China

Das Potenzial für Missverständnisse ist beim Geschäftemachen in China erheblich höher als allgemein angenommen. Trotz Kommunikationshilfen, wie z. B. dem Internet oder E-Mails sowie Englisch als globaler Geschäftssprache, besitzen Menschen aus unterschiedlichen Ländern immer einen anderen Hintergrund, der ihre verbale und nonverbale Sprache mit kulturspezifischen Merkmalen prägt. Am Verhandlungstisch kann wertvolle Zeit damit verschwendet werden, wenn letzten Endes aneinander vorbeigeredet wird. Das Resultat ist oftmals ein verzweifelter Versuch, seinem Gegenüber das Projekt bis ins kleinste Detail erklären zu wollen, was Nerven und Zeit kostet.

Auch wenn nicht alle Stereotypen stimmen, bestehen nationale Charakteristika in China. Werden diese unterschätzt oder vernachlässigt, wird der Erfolg des gesamten Projektes gefährdet. Es sollte nicht vergessen werden: Der Teufel liegt im Detail.

Praxistipp

Unangemessene Gesten und falsches Verhalten in der nonverbalen Kommunikation können dazu führen, dass erste Gespräche in einer unangenehmen Atmosphäre ablaufen, die sich dann auf alle nachfolgenden Gespräche übertragen kann.

Unterschiedliche kulturelle Etikette oder verschiedene Auffassungen vom Status der Personen können die Kommunikation zwischen zwei Individuen vollkommen aus der Balance bringen.

Selbst kosmopolitische Manager, die in einer „internationalisierten Kultur“ mit Internet, Mobiltelefon, CNN sowie Englisch als Kommunikationssprache leben, können nach wie vor in die Kulturfalle tappen, vor allem da Geschäfte in China etwas anders ablaufen als z. B. in den USA oder Westeuropa.

Leider finden viele Geschäfte und Verhandlungen, wenn es um China geht, in einem wenig kosmopolitischen Umfeld statt. Viele westliche Manager üben ihre Arbeit in China in hoch spezialisierten Berufsfeldern mit viel Fachwissen und gleichzeitig mit geringem kulturellem Hintergrundwissen aus.

Insbesondere im Management mit chinesischen Führungskräften und Mitarbeitern sowie im Verhältnis mit chinesischen Geschäftspartnern werden viele vermeidbare Fehler begangen, die u. a. auch auf kulturellen Missverständnissen beruhen.

Im Folgenden werden einige der wichtigsten Gedankenansätze beschrieben, die Sie beachten sollten, wenn Sie Geschäfte in China machen, dort mit Gesellschaften tätig sind und Personal vor Ort führen.

Hierarchie

Ein wichtiger Aspekt in China ist das nach wie vor bestehende Hierarchieprinzip. So gibt es eine strikte Hierarchie innerhalb der Familie und auch im geschäftlichen Umfeld.

Dieses Prinzip ist vor allem bei der älteren, aber vielleicht auch etwas vermindert bei der jüngeren Generation vorhanden. Die junge Generation mit ihrer westlichen Ausbildung entfernt sich langsam davon. Trotzdem ist es wichtig, Folgendes zu beachten:

Das Kommunizieren in China mit Kooperationspartnern, Mitarbeitern und Kollegen ist nicht unbedingt mit der Kommunikation in Westeuropa zu vergleichen. Viele Manager, vor allem älterer Generationen, sind im Gegensatz zu westlichen Unternehmenskulturen ein sehr starkes Hierarchieprinzip gewohnt, wo der Chef allein das Sagen hat.

Praxistipp

Entscheidungskompetenzen gehen i. d. R. nicht nach unten. Delegation von Mitarbeiterverantwortung ist noch gering ausgeprägt. In China besteht ein stark ausgeprägtes Obrigkeitsdenken sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft.

So wird der Geschäftsführer, der sog. Generaldirektor, seine Entscheidungsbefugnisse nicht unbedingt an Mitarbeiter abgeben. Wenn er nicht da ist, werden Entscheidungen nicht getroffen. Daran müssen Sie sich im Rahmen von Verhandlungen gewöhnen.

Mikromanagement

Das Charakteristikum der bestehenden und gelebten Hierarchie erfordert von westlichen Managern in China eine andere Art des Führens: Hier geht es weniger um Matrix, um Projektteams oder das Führen an der langen Leine.

Obwohl Mitarbeiter hochintelligent und insbesondere in technischer Hinsicht oft gut ausgebildet sind, ist häufig ein enges Führen, das sog. Mikromanagement, angesagt. Dies bedeutet keinen Vertrauensverlust, sondern vielmehr einen lokal notwendigen Führungsstil, der die Handlungen des Mitarbeiters im Einzelnen überwacht.

Beachten Sie aber unbedingt auch Folgendes: Chinesische Mitarbeiter brauchen objektives Feedback und vor allem auch Lob. Dann erstrahlen sie in ihrer Kreativität und Energie.

Praxistipp

Erst nach längerer Zeit, wenn Vertrauen gewonnen wurde, können Sie vor allem auf jüngere Mitarbeiter mithilfe einer kontinuierlichen „On-the-job-Praxis“ stärker delegieren.

Dieser Wechsel muss auf jeden Fall durch intensive Schulungen, am besten auch vor Ort im Hauptquartier im Westen, begleitet werden, damit lokale Mitarbeiter lernen, selbstständiger zu handeln.

Personenorientierung

Eine weitere, charakteristische Verhaltensweise in China ist die Tatsache, dass Kommunikation eher personen- und nicht prozessorientiert geführt wird. Dementsprechend hängt das Vorantreiben von Verhandlungen und Projekten vielfach nicht an Prozessen, wie sie in Deutschland häufig definiert werden („Meilensteine“), sondern an einzelnen Personen, die den chinesischen Partnern bekannt sind. Soweit diese nicht so involviert sind, kann es zu Verzögerungen oder zum Stillstand der Verhandlungsentwicklungen kommen.

Dies sollten Sie in Verhandlungen mit China bedenken. Es bietet sich an, im Rahmen von umfangreicheren Projekten und Verhandlungen eine Person von der westlichen Seite zu nominieren, die insbesondere für den Verfahrensablauf mit dem Partner aus China zuständig ist.

Diese Person treibt Prozesse voran, vor allem im Zusammenspiel mit dem Partner, und ist im ständigen Kontakt mit den lokalen Mitarbeitern vor Ort, um Meilensteine zu realisieren.

Praxistipp

Oft machen westliche Muttergesellschaften den Fehler, chinesische Tochtergesellschaften zu weit oben „aufzuhängen“: Dann berichten der chinesische Generaldirektor oder die gesamte Führungsebene an eine Person im Hauptquartier, die sehr weit oben positioniert ist und entsprechend wenig Zeit hat, insbesondere für Tageskommunikation und operatives Geschäft mit den Chinesen.

Diese fehlende Kommunikation kann in den chinesischen Landesgesellschaften zu Frustration und zu Grabenkämpfen untereinander führen. Konsequenzen daraus sind dann häufig Demotivation von führenden Angestellten und Kündigungen von Schlüsselpersonen vor Ort.

Kontrolle und Vertrauen

Der Geschäftspartner in China hat ein dezidiertes Sicherheitsbedürfnis. Auch wenn sich die politischen Umstände seit Anfang der 1990er-Jahre etwas liberalisiert haben, sind gewachsene Verhaltens- und Denkmuster noch vorhanden.

Für ihn ist trotz aller Liberalisierung aufgrund der langjährigen und nach wie vor bestehenden Herrschaft der kommunistischen Partei generell nur das erlaubt, was bereits irgendwo geregelt ist.

Deshalb kann es passieren, dass Ihr Partner auf pragmatische Lösungsansätze eher ablehnend reagiert, da diese nicht klar in einer Richtlinie oder einem Gesetz fixiert sind. Um unter diesen Voraussetzungen auf die gemeinsame Suche nach Lösungsansätzen gehen zu können, ist Vertrauen eine unverzichtbare Basis.

Prinzipiell ist in China Vertrauen der Schlüssel zu allem. Westliche Geschäftspartner haben es aufgrund der vorherrschenden Hierarchien in China schwerer, dieses aufzubauen.

Zunächst gilt „Blut ist dicker als Wasser“ und für alle Personen außerhalb des Familienclans, dass Chinesen gegenüber Ausländern, was Vertrauen und Loyalität angeht, vorgezogen werden.

Je nachdem, ob Vertrauen zwischen Geschäftspartnern aufgebaut werden konnte, entscheidet sich, inwiefern die chinesische Seite bereit ist, sich zu öffnen und wichtige sowie vor allem wahrheitsgetreue Informationen weiterzugeben.

Praxistipp

Da Loyalität und Vertrauen für Ihren Erfolg in China entscheidend sind, sollten Sie unbedingt darauf achten, dass Sie mit Ihrem Gegenüber auf derselben Augenhöhe sind und ihm offensichtlich Wertschätzung entgegenbringen.

Chinesen sind sehr sensibel und führen mit dem Bauch. Sie haben eine gute Menschenkenntnis gegenüber Fremden und merken, wenn sie nicht für voll genommen werden. Ist es einmal so weit, dann besteht keine Chance mehr, eine vertrauensvolle Beziehung jeglicher Art aufzubauen.

Technische Ausbildung

Auf technologisch-wissenschaftlichem Gebiet sind Chinesen in den meisten Fällen äußerst beschlagen. So haben sehr viele Menschen in China nicht nur hervorragende Mathematikkenntnisse, sondern kennen sich auch in anderen Naturwissenschaften wie Physik, Chemie bestens aus. In den Bereichen Marketing, Controlling und vor allem Vertrieb besteht jedoch immer noch Schulungsbedarf.

Die daraus resultierenden Wissensdefizite in kommerziellen Fragen können sich auch in der konkreten Verhandlungssituation niederschlagen. Der Erklärungsbedarf – vor allem auch zu kaufmännischen Aspekten der Verhandlung – kann auch heute noch hoch sein.

Diese Entwicklung ändert sich: Je jünger der Verhandlungspartner, desto besser ist er auch in allen betriebswirtschaftlichen Belangen ausgebildet. In China wächst eine starke „junge Garde“ von Geschäftsleuten heran. Für diese „Aufsteiger“ in der Wirtschaft kann die weitere Karriere auch vom Erfolg der Verhandlung abhängen.

Für die Ausbildung dieser Aufsteiger gibt es bereits mehrere MBA-Programme in China. Diese legen jedoch oft auf die im Reich der Mitte notwendigen Belange, wie die Beherrschung mehrerer asiatischer Sprachen, großen Wert.

Praxistipp

Rekrutieren Sie in Bereichen wie der Buchhaltung nur Kandidaten, die bereits nach westlichen Standards entweder in lokalen Unternehmen (eher die Ausnahme) oder in inländischen Tochtergesellschaften westlicher Unternehmen für mindestens drei bis vier Jahre gearbeitet und damit „gelebt“ haben.

Ein anderer Vorteil von chinesischen Kandidaten, die in internationalen Unternehmen gearbeitet haben, ist ihre Erfahrung im Zusammenspiel mit Projekten aus dem Hauptquartier. Bestenfalls kennen diese Manager auch das Arbeiten in Matrix-Organisationen.

Businesssprache Englisch? Ja, aber ...

In der Volksrepublik China können Sie davon ausgehen, dass viele Manager englische Sprachkenntnisse haben, sollten sich aber nicht darauf verlassen, Verhandlungen tatsächlich auf Englisch zu führen.

So können zwar die meisten jungen Chinesen Englisch, allerdings sind die älteren Geschäftspartner, die letzten Endes die Entscheidungen treffen, der Sprache nur selten mächtig.

Es ist auch möglich, dass mit Einverständnis beider Seiten eine Verhandlung auf Englisch geführt wurde, sich im Nachhinein aber herausstellt, dass Ihr chinesischer Geschäftspartner nicht unbedingt alles verstanden hat. Um ihr Gesicht zu wahren, geben Chinesen ungern zu, dass sie Lücken bezüglich ihrer Englischkenntnisse haben.

Praxistipp

Generell sind an der Küste Chinas die Sprachkenntnisse wesentlich ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Jedoch empfiehlt es sich bei wichtigen Verhandlungen immer, dass Sie einen eigenen Dolmetscher, den Sie bereits kennen oder der Ihnen von Dritten empfohlen worden ist, hinzuziehen.

Referenzen zu den Fähigkeiten des Dolmetschers sind dabei essenziell. Auch Ihr Gegenüber braucht einen guten, loyalen Dolmetscher, sonst könnten Sie Gefahr laufen, in eine Manipulation zu geraten.

Prinzipiell sind lange und umständliche Formulierungen sowie umgangssprachliche Wendungen zu vermeiden. Eine kurze und knappe Rhetorik unter Zuhilfenahme von Strukturen, die etwa an einer Tafel oder einem Flipchart visualisiert werden, erleichtern die Kommunikation.

Darüber hinaus sollten Sie die wesentlichen Strukturen des Geschäfts gemeinsam mit der anderen Seite vorab definieren, um Missverständnisse auszuschließen. Wichtig ist dabei, die Fachbehörde, die dem Geschäft von vornherein zustimmen muss, hinzuzuziehen.

Und beachten Sie unbedingt immer, dass im Laufe der Verhandlungen in China ein höheres Maß an Improvisation notwendig ist als im Westen. Es ist zudem ein Dolmetscher mit betriebswirtschaftlichem und/oder technischem Spezialwissen unverzichtbar.

Apropos Sprache: Während Mandarin die Standardsprache ist, werden in China zahlreiche Dialekte gesprochen, so in Shanghai der Shanghai-Dialekt, in Beijing ein abgewandelter Beijing-Dialekt und Kantonesisch in Guangzhou.

Auch sind sich die Chinesen – soweit es sich auf ihr Geschäftsgebaren bezieht – nicht ganz ähnlich. Es gibt schon markante Unterschiede untereinander. Im Süden, etwa im Großraum Shanghai, sind die Verhandlungen oft sehr „tricky“ und die chinesische Seite ist extrem auf ihren Vorteil bedacht. Im Norden hingegen ist die Kommunikation neutraler.

Praxistipp

Chinesen kommunizieren auf indirekte Art, wie es für Europäer oder Amerikaner eher fremd ist. Eine strikte Verneinung wird in China vermieden. Ihr Geschäftspartner wird Ihnen nie eine direkte Absage erteilen. Er wird sein „Nein“ umschreiben, um den Partner nicht bloßzustellen und sich selbst nicht endgültig festlegen zu müssen.

Ebenso benutzen Chinesen verschiedene Formen der Zustimmung, welche jeweils verschiedene Maße dieser ausdrücken. Was die zusätzlichen Sprachbesonderheiten angeht, ist ein sehr erfahrener und guter Dolmetscher erforderlich, um sie korrekt zu übersetzen.

Hinzu kommt der politische Hintergrund. Ein chinesischer Manager wird es während der Verhandlungen vermeiden, bei gewissen, politisch sensiblen Themen allzu direkt zu werden, und bestimmte Sachverhalte nur ungern ansprechen.

In einem persönlichen Gespräch hingegen wird er eher offen seine Meinung sagen. Beide Verhaltensweisen entsprechen dem wichtigsten Kommunikationsprinzip der chinesischen Kultur: Wichtig ist es, das Gesicht zu wahren und dem Gegenüber Respekt zu zollen.

Dieses Prinzip ist auch in Verhandlungen relevant. Bieten Sie Kompromisse an, die nicht als eine Niederlage empfunden werden. Rhetorik und Kommunikation sollten dabei höflich und harmonisch bleiben ohne zu viel Druck und übermäßige Lautstärke.

Auch wenn Englisch als gemeinsame Sprache gesprochen werden sollte, kommt es häufig vor, dass der westliche Manager in China in der gleichen Art und Weise wie in Deutschland kommuniziert – direkt und klar.

Dabei werden leicht die beschriebenen Mentalitätsunterschiede zwischen den Kulturen, die für den Erfolg des Projektes wesentlich werden können, vergessen. Bezüglich der Aspekte Gesicht, Fairness und Höflichkeit, die in Deutschland weniger ausgeprägt gelebt werden, soll folgendes Beispiel die unbedingt erforderliche Sensibilität im Umgang mit chinesischen Geschäftspartnern aufzeigen.

Beispiel

Dr. S., Vertriebsleiter eines mittelständigen Konsumgüterherstellers, ist sowohl beruflich als auch sportlich erfolgreich. Beruflich expandiert er seinen Bereich mit Lizenzen in Asien. Sportlich ist er ein ambitionierter Tennisspieler und mit seiner Mannschaft bei den Jung-Senioren sehr erfolgreich.

Auf einer seiner zahlreichen Geschäftsreisen nach Hongkong nimmt er die Gelegenheit wahr, mit einem chinesischen Geschäftspartner Tennis zu spielen.

Als das Spiel zu Ende ist und Dr. S. verloren hat, gratuliert er seinem Gegenüber mit Handschlag. Er beteuert aber sofort und ausgiebig, dass der Sieg des anderen auf den schlechten Schläger, eine noch nicht überwundene Zerrung sowie schlechte Platzverhältnisse zurückzuführen sei.

Sein chinesischer Geschäftspartner, der Wert auf Fair Play und auf eine gewisse Höflichkeit legt, zeigt sich zunächst etwas verwundert über das Verhalten von Herrn S., sieht aber im Nachhinein seine vordergründigen Vorurteile gegenüber offensichtlich ignoranten Deutschen bestätigt.

Das Verhalten von Dr. S. ist symptomatisch. In Deutschland wird wenig gelobt und auch nicht viel positives Feedback vergeben. In China, wo Fair Play hochgehalten wird, ist es im sportlichen Wettkampf durchaus üblich, die Leistung des anderen neidlos anzuerkennen, und dies ohne Wenn und Aber.

Selbst wenn die Gegenseite unterliegt, werden ihre Bemühungen gelobt. Diese Verhaltensweisen färben auch auf die geschäftliche Kommunikation ab. Des Öfteren können angemessenes Lob und positives Feedback die Kommunikation vor allem im internationalen Kontext deutlich verbessern.

Fehlende Empathie

Viele deutsche Manager machen den Fehler, eine 35-Stunden-Woche und 30 Tage Urlaub pro Jahr als selbstverständlich hinzunehmen. Diese arbeitnehmerfreundlichen Konditionen sind im Ausland i. d. R. unbekannt.

So haben die Arbeitnehmer in China häufig zu Beginn eines Anstellungsverhältnisses relativ wenige Urlaubstage und vor allem kaum vergleichbare Vergünstigungen wie in Deutschland.

Hier ist eine eher zurückhaltende Einstellung angebracht. Betonen Sie in keinem Fall die Vergünstigungen des deutschen Systems ausdrücklich. In erster Linie ist das Interesse am Land, in dem Sie Geschäfte machen, wichtig.

Wie oft passiert es, dass z. B. Geschäftspartner in China, wenn sie von lokal wichtigen Ereignissen erzählen, von deutschen Geschäftspartnern relativ neutral und uninteressiert behandelt werden.

Praxistipp

Wenn Sie aufrichtiges und nachhaltiges Interesse am Land und den Leuten haben und dies auch zeigen, dann ist das der Schlüssel zum Vertrauen Ihres Gegenübers.

Richtiges Zeitmanagement

Nahezu jedes Auslandsengagement in China bedarf einer zumindest mittelfristigen Betrachtungsweise. Wenn bereits nach einem Jahr die zunächst optimistisch prognostizierte Entwicklung nicht einsetzt, betrachten viele Unternehmen ihr Ausgangsengagement skeptisch und ungeduldig. In Unkenntnis oder unter zu geringer Beachtung des Zeitfaktors verlieren Unternehmen sehr viel Geld, Zeit und Managementressourcen.

Praxistipp

Es ist viel besser, vorsichtig und insbesondere mittelfristig zu planen und vor allem auch einen anderen als in Deutschland vorherrschenden Zeitfaktor anzusetzen.

So wird in China vom Zeitfaktor 6 geredet. Das bedeutet, dass z. B. für Verhandlungen sechsmal so viel Zeit eingeplant werden muss wie vergleichsweise in Deutschland.

Folgendes Beispiel zeigt deutlich einige der Fehler, die beim Geschäftemachen in China gemacht werden können.

Beispiel

Peter H. ist Bereichsleiter für asiatische Kooperationen in einem Unternehmen aus der Automobilzulieferindustrie. Nach dem Studium des Maschinenbaus begann er als Projektleiter.

In fünf Jahren vollzog er dort eine bemerkenswerte Karriere. Die zunächst inländische Aufgabe wurde innerhalb von drei Jahren stark international mit Schwerpunkten in China.

Heute fliegt er um 18.00 Uhr nach Shanghai, um einen erweiterten Kooperationsvertrag mit einem lokalen Partner zu verhandeln. Auf dem Weg zum Flughafen geht er zunächst sehr früh ins Büro, um noch einige Anweisungen zu geben.

Sein Vorschlag für eine erweiterte Kooperation bedarf noch einiger Verbesserungen. Diese müssen parallel zum Flug von seiner Assistentin gemacht und dann per E-Mail verschickt werden.

In der Niederlassung seines Unternehmens in Shanghai am nächsten Tag angekommen, unterhält er sich mit den lokalen Mitarbeitern. In der Zwischenzeit ist auch die korrigierte Version seines Vorschlags eingetroffen.

Abends geht er mit dem Niederlassungsleiter zum Abendessen und bespricht die morgige Verhandlung. Im Laufe der Diskussion, die auf Englisch geführt wird, stellt sich heraus, dass der chinesische Partner zwar an einem erweiterten Kooperationsangebot interessiert ist, dass dieses jedoch im Vergleich zu einem koreanischen Wettbewerber zu teuer ist und zudem unlängst technische Mängel im Rahmen der Ursprungskooperation aufgetreten sind.

Die Chinesen bitten ihn, die Fabrik, die 500 Kilometer von Shanghai entfernt ist, zu besuchen. Peter H. weiß, dass er aufgrund seiner guten persönlichen Beziehungen die Differenzen vor Ort ausgleichen kann. Er plante zwar, bereits am nächsten Tag nach Deutschland zurückzukehren, verschiebt allerdings seine Rückreise und besucht mit den Chinesen die Fabrik.

Was hätte Peter H. besser machen können?

  • Zunächst einmal ist die Zeitplanung äußerst knapp. Peter H. hätte auf jeden Fall nach seinem Besuch in Shanghai einen weiteren Bürotag als „Puffer“ einplanen sollen, um mögliche Unwägbarkeiten auszugleichen.
  • Weiterhin hat Peter H. seine Reise zu oberflächlich und ohne Einbindung seiner Mitarbeiter vorbereitet. Sofern bereits Mitarbeiter vor Ort in China arbeiten, sollten diese bei Weitem mehr in die Vorbereitung von Projekten involviert sein.
  • Peter H. hätte seinen Niederlassungsleiter konkret in das Projekt mit hineinnehmen sollen, insbesondere auch, um vorab mit dem chinesischen Kooperationspartner die Lage zu sondieren. Die Überraschung mit dem koreanischen Wettbewerber wäre dann vermieden worden.
  • Ein Eingehen auf den Wunsch der Chinesen, mit in die Fabrik zu fahren, wäre nicht nötig gewesen. Die Gegenseite hätte verstanden, wenn er einen Termin unter Hinzuziehung von technischen Spezialisten eine Woche später vereinbart hätte. Nicht alles muss sofort und übereilt geschehen. Damit hat sich Peter H. unnötig unter Druck gesetzt.

Fehlende Prozessunterstützung

Es wurde bereits betont, dass Parteien aus China eher personenorientiert sind und sich stark auf eine Person, deren Vertrauen sie im Laufe der Zeit gewonnen haben, stützen. Demgegenüber steht das westlich geprägte Matrix-Denken, wo Personen schnell ausgetauscht oder ergänzt werden und wo vor allem eine starke Prozess- und Verfahrensfokussierung besteht. Dieser Unterschied ist äußerst relevant. Das zeigt das nächste Fallbeispiel.

Beispiel

Dr. A. ist Verhandlungsführer eines deutschen Anlagenbauers und verhandelt über eine Kooperation mit chinesischen Vertretern. Die Verhandlungen laufen durchaus angenehm und freundlich und Dr. A. spricht, wie er es gewohnt ist, sehr stark verfahrensorientiert über die nächsten Schritte zur Konkretisierung der Kooperation.

Die chinesische Seite widerspricht der Vorgehensweise nicht, sodass Dr. A. davon ausgehen kann, dass alle Schritte von beiden Seiten zeitgemäß erfüllt werden.

Das Erwachen kommt nach zwei Monaten, als er nach eigenen Nachfragen erfährt, dass die chinesische Seite die verschiedenen Schritte nicht oder nicht wie vereinbart abgearbeitet hat.

Die Verzögerungen und teilweise Unterlassungen werden von ihnen auf unerwartete Umstände zurückgeführt. Das ungute Gefühl von Dr. A. verstärkt sich, zumal dieser Umstand erst durch Nachfragen von deutscher Seite erklärt worden ist. Die chinesische Seite hätte von sich aus die Verzögerungen wohl nicht angesprochen.

Was ist in so einem Fall zu machen?

  • Man muss sie permanent mitnehmen!“ Dies ist der Ratschlag eines erfolgreichen Geschäftsmannes aus Westeuropa, der viele Projekte in China erfolgreich durchgeführt hat. Diskutieren und verabschieden Sie im Rahmen einer Prozessorientierung diese Prozesse gemeinsam mit der anderen Seite.
  • Es bietet sich dabei auch an, einen oder mehrere gemeinsame Projektmanager zu benennen, die für die einzelnen Projektschritte verantwortlich sind und den Prozessverlauf überwachen.

Business am Buffet

In der Regel sitzen westliche Manager in Verhandlungen in China einem großen Team gegenüber. Dies muss kein Nachteil sein. Denn die Verhandlungseffizienz der einen Seite wird mit zunehmender Anzahl der Verhandlungsteilnehmer geringer.

Verhandlungen dauern länger als in den USA oder Europa. Darauf sollten Sie sich einstellen und einen entsprechenden Zeitaufwand einkalkulieren, aber auch Geduld gegenüber den Verhandlungspartnern zeigen.

Praxistipp

Der soziale Aspekt einer Geschäftsbeziehung ist in China ein wichtiger Erfolgsfaktor: Ein beliebtes Mittel, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, sind Bankette.

Eine solche Veranstaltung findet zumeist in einem Hotel statt. Diese semigeschäftlichen Bankette sind ausgesprochen förmlich und beinhalten u. a. das traditionelle Aussprechen von Toasts, in denen die gegenseitige Beziehung als Basis einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem Geschäftspartner betont wird.

Vom Eingeladenen wird häufig erwartet, dass er innerhalb einiger Tage eine Gegeneinladung ausspricht. Die richtige Tischordnung ist wesentlich. In der Regel sitzt der Gastgeber so weit wie möglich vom Eingang des Raumes entfernt, der wichtigste Gast sollte rechts und sein Stellvertreter links vom Gastgeber platziert werden.

Auch hier ist ein erfahrener Dolmetscher ein guter Ratgeber. Die Dolmetscher sollten rechts vom Hauptgast und links von seinem Stellvertreter Platz nehmen. Während der Abendveranstaltung sprechen Gesichter buchstäblich Bände.

Die Mimik verkörpert für Chinesen Persönlichkeit und Reputation. Deshalb ist es angebracht, eher formeller als notwendig zu sein und – auch wenn es „feuchtfröhlich“ wird – weder übertrieben laut oder „humorig“ zu werden noch dem Alkohol übermäßig zuzusprechen.

Obwohl in China der Alkoholkonsum in einigen Regionen im sozialen Miteinander wichtig ist, sollten Sie gewisse Grenzen diesbezüglich nicht überschreiten und sich zurückhalten. Wenn, wie beispielsweise bei Geschäftsabschlüssen sehr üblich, zu diesem Genussmittel gegriffen wird, sollten Sie, falls Sie aus bestimmten Gründen nicht mittrinken können, dies bereits vorab klären.

In der Regel gibt es kein Kneifen, außer Sie beteuern, dass Ihr Arzt Ihnen aus gesundheitlichen Gründen vom Alkoholkonsum abgeraten hat. Dies hat den Grund, dass die Chinesen das wahre Gesicht Ihres Gegenübers sehen wollen, welches sich oft unter dem Einfluss von Alkohol zeigt.

Praxistipp

In China hat das Essen den höchsten Stellenwert im Privaten sowie im Geschäftlichen. Aus diesem Grund kann es auch relativ lange dauern, weshalb Sie genug Zeit dafür einplanen sollten.

Wie auf dem Basar?

„Zunächst ging alles sehr korrekt und förmlich vonstatten. Je länger sich die Verhandlungen hinzogen und je tiefer es in die Einzelheiten ging, desto mehr kam man sich vor wie auf einem Basar. Da wurde buchstäblich stundenlang um Details gefeilscht.“ So die Erfahrung des Verhandlungsführers eines deutschen Automobilzulieferers.

In der Tat verfügen chinesische Verhandler über eine immense Ausdauer, um für sie wichtige Detailfragen zu klären. Sie erwarten das Gleiche von ihrem Verhandlungspartner.

Die Verhandlungsphasen, in denen Konzessionen gewährt werden, dauern lange. Bleiben Sie genauso zäh wie Ihr Gegenpart, pflegen Sie aber gleichzeitig die positive Atmosphäre. Zugeständnisse sollten immer unter den Aspekten Ausgleich und win-to-win diskutiert werden.

Vergessen Sie dabei nicht die Reziprozität („wenn …, dann …“) als Basis und verbinden Sie eine Forderung der Gegenseite mit einer Forderung Ihrerseits.

Work in Progress: der Vertrag

Es ist in China durchaus üblich, einmal vereinbarte Festlegungen in der nächsten Verhandlungsrunde zu modifizieren. Eine Art „Vertragskonstanz“ oder die Verpflichtung, sich an geschlossene Vereinbarungen zu halten, besteht nicht immer.

Deshalb sollten alle Verhandlungsergebnisse im Detail schriftlich festgehalten werden, unabhängig davon, ob die Vereinbarung teilweise oder auch vollständig getroffen worden ist. Mündliche Zusagen haben gewöhnlich keine lange Lebensdauer.

Praxistipp

Auch empfiehlt es sich, am Anfang der Verhandlungen die Vollmachten der Gegenseite abzuklären. Ist sie befugt, ein Geschäft abzuschließen, oder sollen zunächst nur Informationen gesammelt und das Terrain sondiert werden, damit in der nächsten Verhandlungsrunde ein anderer Mitarbeiter die Vereinbarung verbindlich abschließen kann?

Da China ein sozialistisches Land ist, wird Handel i. d. R. durch staatliche Unternehmen oder Regierungseinrichtungen betrieben. Die Vertragsgestaltung ist bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. Mietverträge, relativ frei.

Vorgegeben sind bestimmte Regelungen, die aber erfahrungsgemäß mit „Pro-forma-Inhalten“ erfüllt werden können. Für Binnengeschäfte sollten Sie bedenken, dass ein entsprechendes Vertragsgesetz erst seit einigen Jahren besteht und die Ausstellung von Lizenzen, die für viele Geschäfte verlangt werden, schon länger dauern kann.

Komplexe Rechtslage

In China spielen Juristen für ausländische Geschäftspartner eine wichtigere Rolle. Rechtsanwälte dienen nicht nur als juristische Berater, sondern oft auch als Dolmetscher.

Wollen Sie einen Juristen hinzuziehen, so stellt sich die Frage, ob Sie einen chinesischen Rechtsanwalt oder einen ausländischen, der für eine internationale Firma in China tätig ist, wählen.

Wie auch immer Sie sich entscheiden, Fallstricke bleiben. Einerseits verliert ein chinesischer Anwalt seine Zulassung zur chinesischen Anwaltskammer, wenn er sich einem internationalen Rechtsanwaltbüro in China anschließt. Andererseits ist ein im Ausland zugelassener Anwalt nicht berechtigt, ein Gutachten zu chinesischem Recht vorzulegen.

Die beste Wahl ist der Anwalt einer internationalen Kanzlei, der die Mentalität der Chinesen kennt und nicht von der Regierung abhängig ist. Oft beschäftigen international tätige Kanzleien Chinesen, die im Ausland studiert haben.

Diese kennen westliche und chinesische Denkweisen. Vieles, was in Deutschland als selbstverständlicher Verhandlungs-Usus gilt, bedarf in China schriftlicher Fixierung.

Praxistipp

Wie erwähnt, halten es die Chinesen mit Verträgen wie mit Gesetzen: Es wird schwammig formuliert, sodass Spielraum für unterschiedliche Interpretationen bleibt.

Diese Art der Vertragsschließung umfasst nach chinesischer Auffassung die „menschliche Seite“, die „Paragrafenreiterei“ westlicher Manager stößt oftmals auf Unverständnis.

Auch bezüglich des chinesischen Rechtsempfindens zahlt sich die Wahl des richtigen Rechtsanwalts ebenso aus wie Fantasie in Marketing und Verhandlung.

Wo wir von Markenpiraterie reden, steht für Chinesen eher die Attraktivität des Produkts im Vordergrund und etwaige Nachahmungen werden als Auszeichnung für das Original begriffen. Diese Situation lässt sich meistern, wie das Beispiel von Coca-Cola zeigt.

Beispiel

Vor dem Beginn der Produktion startete der Coca-Cola-Konzern eine weitreichende Kampagne in den Medien. Es wurde dem Bürger erklärt, was eine registrierte Marke ist, wofür die Marke Coca-Cola steht, dass ihr Sinn darin liegt, Qualität zu sichern, und dass Imitationen illegal und minderwertig sind.

Solche Aktionen machen sich bezahlt: Trotz konkreter Markenpiraterie in China ist Coca-Cola dort erfolgreich am Markt positioniert.

Regionale Unterschiede

Bei aller Öffnung und Liberalisierung ist China nach wie vor ein schwieriger und heterogener Markt. Der südliche Teil nähert sich in Infra- und Wirtschaftsstruktur dem kapitalistischen Hongkong an.

Andere Gebiete, vor allem im Westen und Norden des Landes, sind hingegen nach wie vor als rückständig zu bezeichnen. Strukturen wie ein gut funktionierendes Verkehrsnetz, Serviceleistungen wie Dolmetscher, Sekretärinnen mit Fremdsprachenkenntnissen, moderne Telekommunikationseinrichtungen sowie notwendige Spezialisten wie z. B. internationale Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer sind nicht überall gleichmäßig vorhanden.

Generell gilt die Regel, dass die Infrastruktur in Großstädten besser entwickelt ist als in den Provinzen. Unabhängig von den infrastrukturellen Voraussetzungen sind Improvisationskunst und die Fertigkeit, unabhängig von Serviceleistungen Dritter zu arbeiten, unabdingbar, wenn Sie in China erfolgreich sein wollen.

Westlich Chinesisch
Grundlegende kulturelle Werte und Denkweisen
Einzelner Gruppe
Teamorientiert Hierarchisch
Informationsorientiert Beziehungsorientiert / Guanxi
Schritt für Schritt Alle Aspekte gleichzeitig und ganzheitlich
Strebt das beste Ergebniss an Sucht nach dem besten Weg
Argumentation Feilschen / Verhandeln / „tit for tat“
Verhandlungsphasen
1. Kennenlernen
Schnelle Zusammenkünfte Langer Annäherungsprozess / Guanxi
Infromell Formell
Setzt auf Kaltakquise Arbeitet mithilfe von Mittelsmännern
2. Informationsaustausch
Uneingeschränkt Eingeschränkt
Proaktiv Indirekt
Vorschläge zuvorderst Erklärung zuerst
3. Argumentation
Offensiv Hinterfragend
Ungeduldig Ausdauernd
4. Closing
Will ein gutes Geschäft Will oft eine dauerhafte Geschäftsbeziehung

Werden alle oder zumindest die meisten der genannten Gesichtspunkte berücksichtigt, ist es sehr wahrscheinlich, mittelfristig in China einen beachtlichen Erfolg zu erzielen, und das in einem Markt, der ein hohes Marktpotenzial und sehr fähige Mitarbeiter bietet.

Praxistipp

Vor allem dürfen Sie Folgendes nicht vergessen: China ist ein Markt, wo hauptsächlich auch mittel- und langfristig die Zukunft liegt. Die Investition dort, besonders auch in das Human Capital, ist nicht einfach und zeitraubend.

Es ist wichtig, hier den Faktor 6 (im Vergleich zu Deutschland) einzusetzen. Wenn jedoch alle obigen Erwägungen beachtet und Zeit sowie Interesse in die vorhandenen Mitarbeiter in China investiert werden, ist dies eine Investition, die sich nicht nur mittel-, sondern insbesondere auch langfristig sehr stark und positiv auswirken wird.